nd-aktuell.de / 01.12.2017 / Serienkiller / Seite 17

Im Kern ein Familiendrama

Mit »Dark« startet die erste deutsche Serie des Streaming-Kanals Netflix

Katharina Dockhorn

Ein Kind verschwindet spurlos, Angst und Schrecken machen sich in einer westdeutschen Kleinstadt breit. Die älteren Bewohner haben das Gefühl, sie werden von einem Alptraum eingeholt. Vor 33 Jahren fahndete die Polizei schon einmal vergeblich nach einem blonden Jungen. Bei der jetzigen Suche stößt die Polizei im Wald auf eine andere, unverweste Leiche eines Jungen, dessen Identität nicht geklärt werden kann. Und dann verschwindet der nächste Junge, der dann schließlich im Jahr 1986 wieder auftaucht.

Die ersten drei Teile der Mystery-Serie »Dark« beschwören eine düstere, mystisch-geheimnisvolle Atmosphäre, unterstützt wird das Gefühl der Paranoia und des genüsslichen Gruselns durch aufdringliche Soundeffekte und vieldeutige Bildkompositionen. Inhaltlich bleiben viele Rätsel ungelöst. Mehrere Handlungsstränge stehen scheinbar zusammenhanglos nebeneinander, der Zuschauer ahnt nur ansatzweise Konflikte und Verbindungen. »Dark« legt ein behäbiges Erzähltempo vor.

Auch die Inhaltbeschreibung der ersten deutschen Serie des Streaming-Dienstes Netflix ist nicht gerade aufschlussreich. »Nach dem Verschwinden eines Kindes begeben sich vier Familien auf die verzweifelte Suche nach Antworten und der Lösung eines Rätsels, das drei Generationen umspannt. Ihre vermeintlich heile Welt wird aus den Fugen gerissen, und ein Blick hinter die Fassaden offenbart die dunklen Geheimnisse aller Beteiligten.«

Hinter den zehn Folgen, die ab 1. Dezember in 190 Ländern abrufbar sind, stehen Autorin Jantje Friese und Regisseur Baran bo Odar, die gemeinsam »Who Am I« realisiert hatten. Netflix schwebte zunächst eine Serie auf Grundlage eines rasanten Polit-Thrillers vor. Friese und Odar boten stattdessen das Konzept für »Dark« an, das sie ursprünglich für einen britischen Sender als Family-Crime-Programm mit übernatürlichen Elementen entwickelt hatten. Diese Idee kombinierten sie mit einer Zeitreise-Story, die sie fürs Kino planten.

Ihr Ansatz sei stets unpolitisch, räumt das Paar ein. »Dark« sei im Kern ein Familiendrama, das zeigt, wie Menschen wurden, was sie sind. Dafür beleuchtet die Serie alle 33 Jahre die Lebensphasen einiger Figuren - 1953, 1986 und in der nahen Zukunft.

Autorin und Regisseur verarbeiten dabei einen Teil der eigenen Biografie. Die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 empfanden Jantje Friese und Baran bo Odar als elementaren Einschnitt in ihr Leben. Beide sind in der beschaulichen Provinz aufgewachsen. Die Idylle sei schlagartig mit den Einschränkungen auf Grund der Gefahren der radioaktiven Strahlung verschwunden, die der Wind damals über Europa verteilte. »Dark« spielt daher in einem Dorf nahe eines Kernkraftwerks. Auf das hermetisch abgeschlossene Gelände führt ein halb verfallener Tunnel, dessen Eingang im nahe gelegenen Wald versteckt ist. Die Erkundung der dunklen Gänge ist für die Jugendlichen eine Mutprobe.

Die Inspirationen für die Filme und Serien von Jantje Friese und Baran bo Odar sind stets unübersehbar: Die Bestseller von Stephen King, die Kultserie »Twin Peaks« und die Serien des Nordic Noir aus Skandinavien, die mit der dunklen Seele des Menschen spielen, standen Pate. »Dark« ist aber auch eine typisch deutsche, düstere Variante der Trilogie »Zurück in die Zukunft«. Regisseur Robert Zemeckis tüftelte damals lange, damit seine Helden nicht in einem von Atomkraft angetriebenen Auto durch Zeit und Raum reisen. Jantje Friese und Baran bo Odar haben diese Scheu in ihrer Familiensaga abgelegt.

Verfügbar auf Netflix