nd-aktuell.de / 01.12.2017 / Kultur / Seite 15

Kühl glitzernd

80er-Pop von Destroyer

Michael Saager

Weltverloren« ist ja auch so eine Metapher, die man besser nicht zu genau hinterfragt, aber was will man machen: Weltverloren, lasziv-weltmüde, impressionistisch und doch ein bisschen knarzig, so klingt Dan Bejar alias Destroyer nun einmal auf seinem elften Album, »ken«. Man hört ein paar seiner erbaulichen Zeilen - »Sky’s grey / Call for rain / Every day« - und kann sich prompt keine andere Stimme mehr vorstellen. Im Techno würde man jetzt von einem phänomenalen signature sound sprechen. Wobei Techno der falsche Referenzrahmen ist. Einerseits. Andererseits erinnern String-Synthies und der melodietragende Bass des Mini-Hits »In the Morning« beinahe überdeutlich an New Order, eine der Blaupausenbands elektronischer Clubmusik.

Die Pressgesangzeiten jedenfalls, in denen Bejar klang, als hätte man den armen Gary Numan in ein sehr enges Ziggy-Stardust-Kostüm gezwängt, sind schon eine Weile vorbei, spätestens seit Bejars Softrock-Album »Kaputt« (2011). Softer Rock, der ein bisschen an den amerikanischen Yacht-Rock der 70er, deutlicher jedoch an britischen Pop aus den 80ern erinnerte, erlebte damals zum Entzücken älterer Popkritiker eine kleine Renaissance. Bejar hatte da bereits einen schönen Weg hinter sich, immerhin war »Kaputt« seine neunte Platte. Mit »Kaputt« legte er deutlich an Bekanntheit zu, konservative Fans indes reagierten angefasst. Denn waren die Alben des 1974 geborenen Musikers und Sängers bis dahin apart angefolkte Indie-Lektionen mit - bei aller ins Glamouröse zielenden Harmonieseligkeit - strubbeliger Soundfrisur und vielen kleinen Ecken und Kanten, so ist das heliumleicht auf imaginären Softrock-Schäfchenwolken dahingleitende »Kaputt«-Album eine Arbeit von nachgerade hypnotisch-verträumter 80er-Jahre-Eleganz. Und damit näher dran an Fleetwood Macs »Little Lies«, Prefab Sprout, Talk Talk und den Pet Shop Boys (ohne Disco-Bums).

Das Tolle an »Kaputt« ist auch der Fluch daran: Die Platte ist nicht zu toppen. Aber Bejar hatte sowieso etwas anderes im Sinn und in den Ohren gehabt, während er im Herbst 2016 allein durch die USA fuhr, The Cure hörte und sich an die eigene musikalische Post-Punk- und New-Wave-Sozialisation erinnerte, die The Jesus And Mary Chain, Bauhaus, New Order und natürlich auch Gary Numan unbedingt mit einschließt. Versteckspiele treibt Bejar also keine, alles liegt offen da, beinahe schon kokett. Kühl glitzernde, mithin übertrieben inszenierte synthetische Sounds, Drums wie aus dem Computer, ein einsames Saxophon, auch das. Und wäre Bejar nicht so ein versierter Songwriter, hätte er nur ein kleines bisschen weniger Talent für berückend schöne Melodien und nicht diese unglaubliche Stimme - kein Mensch bräuchte dieses Album, noch eines, das klingt wie aus den 80ern. Aber so hört man es. Und hört es wieder. Und dann gleich noch einmal.

Destroyer: »ken« (Dead Oceans/ Cargo)