TripAdvisor schönt die Welt

US-Behörde ermittelt gegen das weltgrößte Reiseportal wegen Löschung negativer Bewertungen

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Die weltgrößte Tourismusplattform TripAdvisor manipuliert eventuell Bewertungen. Nach Angaben von US-Behörden, die entsprechenden Vorwürfen nachgehen, handelt es sich dabei um Hinweise auf Vergewaltigungen, Übergriffe und andere negative Vorkommnisse, die einfach gelöscht wurden.

»Wenn Verbraucher keine ehrlichen Bewertungen über ein Unternehmen mehr abgeben können, könnten andere Verbraucher dadurch geschädigt werden, weil sie an auf solchen Informationen basierende Kaufentscheidungen gehindert werden«, erklärte die Vorsitzende der Federal Trade Commission, Maureen Ohlhausen. Die unabhängige Bundesbehörde geht direkten Beschwerden von Konsumenten oder Unternehmen gegen einzelne Unternehmen nach. Sie soll gegen unfaire und täuschende Praktiken vorgehen, um das Funktionieren eines konkurrenzbestimmten Marktes sicherzustellen. Ihre Aufgabenstellung geht damit über die einer Wettbewerbsbehörde hinaus, da sie Aufgaben des Verbraucherschutzes wahrnimmt.

Die Zeitung »Milwaukee Journal Sentinel« hatte zuerst über die mutmaßlichen Manipulationen von Trip-Advisor berichtet. Demnach hat das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Boston, das auf seiner Webseite nach eigenen Angaben jährlich mehr als zwei Milliarden Besucher hat und mehrere Hundert Millionen Meinungen zum Thema Reisen, Hotels und Gastronomie bietet, Bewertungen von Touristen über Ferienanlagen in Mexiko gelöscht, in denen Vergewaltigungen und Fälle drogenbedingter Bewusstlosigkeit erwähnt wurden. Auslöser für die Hinweise war der mysteriöse Tod einer Studentin aus Wisconsin. TripAdvisor gab anschließend an, die Bewertungen hätten nicht den familienfreundlichen Richtlinien des Unternehmens entsprochen. Aufgrund von Protesten wurden die Kommentare wieder hinzugefügt, aber in chronologischer Reihenfolge, sodass sie nur bei ausführlicher Recherche zu finden sind.

Aufgrund des Medienechos hat sich TripAdvisor nun öffentlich entschuldigt und gleichzeitig Markierungen für Hotels, Restaurants und andere Einrichtungen eingeführt, über die sexuelle Übergriffe oder andere besorgniserregende Zwischenfälle gemeldet werden können. Diese Markierungen bleiben drei Monate lang sichtbar, wobei der Zeitraum verlängert werden kann, wenn es weiterhin Grund dafür gibt, wie Sprecher Kevin Carter erklärte. Er wies zudem darauf hin, dass auf der Webseite zahlreiche negative Bewertungen abrufbar seien. »TripAdvisor hat sich verpflichtet, seinen Nutzern vollständige und genaue Informationen für ihre Reiseplanungen anzubieten. Dies betrifft insbesondere Aspekte der Gesundheit und Sicherheit.«

Inzwischen werden immer mehr Vorwürfe gegen das Portal bekannt. So beschwert sich der Nutzer Burgess Allison darüber, dass die Bewertungen seiner Familie über ein Restaurant in Baltimore fortlaufend gelöscht werden. Die Familie hatte beobachtet, dass der Besitzer Frauen filmte, die zur Toilette gegangen waren, und wollte andere Nutzer warnen. Erst nach mehrfacher Nachfrage der Familie wurde ein entsprechender Kommentar bei TripAdvisor veröffentlicht - drei Jahre später und bei einer Beschreibung des Bundesstaates Maryland, in welchem das Restaurant liegt.

Solche Vorfälle haben inzwischen sogar die Politik alarmiert. Die demokratische Senatorin Tammy Baldwin aus Wisconsin rief die Behörden auf zu reagieren, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Schließlich würden Nutzer der Plattform einem Risiko ausgesetzt. »Ich mache mir Sorgen, dass hier der Profit wichtiger ist als ein offenes, ehrliches Forum für Tourismusbewertungen.«

Sollten TripAdvisor die Löschungen nachgewiesen werden, könnte dem Unternehmen eine Anklage wegen Täuschung seiner Nutzer drohen, heißt es vonseiten der Handelsbehörde. Doch die Ermittler weisen darauf hin, dass sie noch am Zugang zu individuellen Fällen arbeiten, um das Ausmaß des Vorfalls und auch die mögliche Schädigung von Nutzern erfassen zu können.

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