Europas Märkte sind offen. Unternehmen aus Drittstaaten können hier investieren und ihre Dienste anbieten. Das kann zum Problem werden. Nicht nur, weil sie ihre Produkte zu Dumpingpreisen anbieten können, sondern auch, weil wir uns damit verletzbar gegenüber Ländern wie China oder Russland machen. Europa braucht deshalb mehr Kontrolle von ausländischen Investoren. Chinesische Firmen investieren in Europa zwar viel weniger als Unternehmen aus den USA. Aber sie sind gelenkt von einer Diktatur. Und sie kaufen sich mit Vorliebe in Hochtechnologien und kritische Infrastrukturen wie Häfen, Kraftwerke und Stromnetze ein. Erst vergangene Woche beim Gipfeltreffen von mittel- und osteuropäischen Ländern mit der chinesischen Staatsführung[1] hat der chinesischen Ministerpräsident Li Keqiang drei Milliarden Euro an weiteren Investitionen versprochen.
Das ist bedenklich, weil China damit nicht nur seinen wirtschaftlichen, sondern auch seinen politischen Einfluss in Europa vergrößert. Schon jetzt reicht der lange Arm der Volksrepublik bis in den EU-Ministerrat. Aus Sitzungen des Ministerrats wird kolportiert, dass sich Mitgliedstaaten, in denen China massiv investiert, mit Kritik an Peking zurückhalten. Eine Kritik der Union an der aggressiven Politik Chinas im südchinesischen Meer wurde auf Drängen von Griechenland und Ungarn abgeschwächt. In Griechenland ist der größte Seehafen des Landes, der Hafen von Piräus, in chinesischer Hand (übrigens nachdem Griechenland im Rahmen der Eurokrise vor allem von Deutschland dazu gezwungen wurde, den Hafen zu privatisieren). Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sucht auch politisch die Nähe zu China und hat den chinesischen Staatschef vergangene Woche mit Pomp und allen Ehren empfangen. Die Befürchtung, einige osteuropäische Länder könnten zum Brückenkopf für die chinesische Staatsführung nach Europa werden, ist nicht unberechtigt.
Besonders schwer wiegt, dass chinesische Firmen, unterstützt mit staatlichen Subventionen und gelenkt von der kommunistischen Parteizentrale, bei ihrer Shoppingtour durch Europa auch vor kritischer Infrastruktur wie Stromnetze nicht Halt machen. In Griechenland, Portugal und demnächst in Slowenien sind regionale Stromnetze bereits in chinesischem Eigentum. Das macht die Länder besonders anfällig für politischen Einfluss. Wenn die neuen Besitzer das Netz lahmlegen, geht das Licht in weiten Landesteilen aus. Auch wenn der russische Konzern Gazprom Gasspeicher in Deutschland kauft, hat das Auswirkungen auf die Energiesicherheit. Kritische Infrastruktur ist mit gutem Grund in der EU besonders geschützt. Sie hat wesentliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen.
Ich plädiere hier nicht gegen die Investitionsfreiheit. Aber es ist wichtig, dass wir anderen Staaten einen Riegel vorschieben, wenn sie versuchen, Abhängigkeiten zu schaffen und sich über einzelne Mitgliedstaaten politischen Einfluss in der EU zu sichern. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass ausländische Unternehmen den europäischen Binnenmarkt mit Produkten zu Dumpingpreisen überschwemmen. Wir brauchen darauf eine gemeinsame europäische Antwort.
Wir Grüne arbeiten im Europäischen Parlament eng an einer Richtlinie mit, die Auslandsinvestitionen in Europa künftig unter Kontrolle stellen will. Das Ziel: ein koordiniertes europäisches Vorgehen, wenn ausländische Direktinvestitionen kritische Infrastruktur, sensible Hochtechnologien europäische Sicherheitsinteresse oder die öffentliche Ordnung berühren.
Der Vorschlag der EU-Kommission für die Richtlinie macht allerdings auf halber Strecke halt. Ob solche Übernahmen untersagt oder unter Auflage gestellt werden, soll nämlich nicht auf europäischer Ebene entschieden werden, sondern in der Entscheidungskompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben. Damit bleiben einzelne Mitgliedstaaten weiter anfällig dafür, dass sich Länder wie China über sie politischen Einfluss in der EU sichern.
Wir brauchen in Europa eine gesamteuropäische Lösung zum Schutz unserer kritischen Infrastruktur. Es geht nicht darum, chinesische Firmen aus dem europäischen Markt zu drängen. Aber wir müssen dafür sorgen, dass sich Länder wie China nicht über wirtschaftliche Investitionen politischen Einfluss erkaufen.
Der französische Staatspräsident Emanuel Macron hat eine europäische Investitionsstrategie gefordert. Auch das ist der richtige Ansatz. Wir müssen uns in Europa darum kümmern, dass wir in kritische Infrastruktur investieren, statt sie zu verkaufen. Nur so können wir auch eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Industriepolitik und die Energiewende vorantreiben.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1072013.chinas-einfluss-in-der-eu-brueckenkopf-nach-europa.html