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  • Elmar Faber gestorben

»Ein Ausbund von Findigkeit«

Der Verleger Elmar Faber ist am Sonntag gestorben

  • Werner Abel
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie oft hatten wir, seine Freunde, ihn liebevoll-ironisch eine lebende Verleger-Legende genannt, auch den »Siegfried Unseld des Ostens«. Jedes Gespräch mit Elmar Faber war ein Gewinn, gleich, ob es bei einer offiziellen Veranstaltung war, im kleinen Kreis im Verlag oder in seinem Garten, wo er, der Literaturkenner, der Verfasser kluger Schriften über die Rolle der Kultur unter kapitalistischen Bedingungen, der Büchersammler und Journalist, er, der mit allen namhaften Schriftstellern befreundet war, mit seinen Kenntnissen einer ästhetisch bestechenden Gartenkultur überraschte.

Jedes Mal war für diese Treffen ein anderes Thema gewählt worden, über das Faber kenntnisreich dozierte und das er mit Beispielen aus seiner imposanten Büchersammlung illustrierte. Nie hätte ich zuvor geglaubt, dass allein anhand einer Kinderbuchsammlung, zu der auch seine liebevoll über die Jahre erhaltene Schiefertafel gehörte, ein so aufregender Parforceritt durch die deutsche und europäische Buchkultur möglich sei. Das war das Schöne und Typische an Faber: Bücher sammeln, ja. Sich an den Schätzen freuen, ja. Aber immer andere partizipieren lassen. So wirkten die Bücher seiner Sammlung ebenso öffentlich wie die Bücher, die er in den vielen Jahren verlegt und die, die er selbst geschrieben hatte.

Seine Heimat Thüringen hat Faber geliebt, vielleicht hat er deshalb bewusst nie den Dialekt seiner Herkunft abgelegt. Dem Ort Dreesbach, in dem er 1934 geboren wurde, hat er in seinen Büchern »Ein Paket aus Nürnberg« und »Verloren im Paradies« ein literarisches Denkmal gesetzt. Und wie hatte er sich gefreut, als ihm der Gesangsverein seines Geburtsorts zum 80. Geburtstag ein Ständchen brachte.

Wer etwas über die Verlagsgeschichte der DDR erfahren will, findet in Fabers Autobiographie »Verloren im Paradies« (Aufbau-Verlag, 2014) alles, was zu wissen wichtig ist. Ein Wissenschaftler der Universität Leipzig, der über die Verlags- und Pressegeschichte der DDR forscht, schrieb in einer anerkennenden Rezension dieses Buches, dass man sich viele umständliche Untersuchungen hätte sparen können.

Faber hatte bei den großen Wissenschaftlern, die im vergangenen Jahrhundert in Leipzig lehrten, bei Ernst Bloch, Theodor Frings und Hans Mayer, studiert. Das legte gemeinsam mit der schon früh erwachten Liebe zum Buch die Grundlage für ein Leben als Verleger, das nicht anders als atemberaubend bezeichnet werden kann. Es waren die Zeit überdauernde wichtige und wertvolle Bücher, die unter seiner Ägide als Verleger der Edition Leipzig (1975 bis 1982) und des Aufbau-Verlags (1982 bis 1992) herausgegeben wurden.

1990, als der Niedergang des DDR-Verlagswesens begann, gründete Faber noch den Aufbau-Taschenbuchverlag. Er hatte aber wohl völlig andere Ansichten über die Rolle des Buches als der neue Besitzer des Aufbau-Verlags, ein Mann, der durch den Handel mit Immobilien reich geworden war. Aus der Schwierigkeit, mit jenem Bernd Lunkewitz zusammenzuarbeiten, zog Elmar Faber die Konsequenz und gründete mit seinem Sohn Michael den Verlag Faber & Faber, der erst in Berlin, dann seit 1995 in Leipzig seinen Sitz hatte. Die »DDR-Bibliothek«, die Pressendrucke, sein monumentales Buch »Bühne auf!« über die Erstlingswerke deutscher Autoren und das große Wagnis, das »Kapital« von Karl Marx zu illustrieren, werden Höhepunkte des deutschen Verlagswesens bleiben.

An Elmar Faber zu denken ist unmöglich, ohne seine Familie zu erwähnen. Die Liebe zu seiner Frau Renate, die wie er immer mit Büchern gelebt hat, der Stolz auf seine erfolgreichen Söhne und Enkel, auch das beeindruckte seine Freunde.

2007 erhielt Elmar Faber in Anerkennung seiner verlegerischen Verdienste das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Er reagierte unaufgeregt, und die kleine Spieldose des »Neuen Deutschland«, die wir ihm schenkten, damit er anstatt des »Deutschlandlieds« öfter die »Internationale« zu hören bekommt, war eigentlich unnötig, denn bestechlich war er nie. Was ihn aber auszeichnete, das war sein Humor, seine Freude an einem guten politischen Witz, mit dem man die vielen Schattenseiten des neuen Deutschlands ironisieren konnte.

Es war im März dieses Jahres, als wir uns wie in jedem Jahr auf der Leipziger Antiquariatsmesse trafen. Nach den Bücherkäufen, die er wie immer schon am frühen Morgen hinter sich gebracht hatte, war Zeit für ein Gespräch beim Kaffee. Dieses Mal galt seine Sorge dem Dietz-Verlag Berlin, früher auch einer der großen Verlage in der DDR. Dieser Verlag, so meinte Faber, müsse unbedingt erhalten bleiben, und er wolle den Dietz-Kollegen gerne seine Erfahrungen zur Verfügung stellen. Auch das, sein Altruismus, war eine der vielen Facetten des erfolgreichen Verlegers: die Weitergabe seiner Erfahrungen, seine Ratschläge, die anderen ebenfalls zu Erfolgen verhelfen sollten.

Wer in den letzten Monaten von ihm hörte, musste auf das Unvorstellbare gefasst sein, aber zu glauben ist es dennoch nicht: Am 3. Dezember ist Elmar Faber 83-jährig in seinem Haus in Leipzig gestorben. Er wird fehlen, seiner Familie, seinen Freunden und auch jenen, die er bei ND-Leserreisen mit der Buchstadt Leipzig und der Leipziger Buchmesse bekannt machte.

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