nd-aktuell.de / 05.12.2017 / Politik / Seite 7

Korsika: Nationalisten liegen weit vorn

Bei der ersten Runde der Regionalwahlen auf der französischen Mittelmeerinsel wird Macrons En marche nur Vierter / Linke Liste fliegt raus

Ralf Klingsieck, Paris
Bei der ersten Runde der Regionalwahlen auf der französischen Mittelmeerinsel Korsika am vergangenen Sonntag haben sich die Nationalisten mit 45,36 Prozent der abgegebenen Stimmen einen überwältigenden Sieg gesichert, den sie bei der Stichwahl am kommenden Sonntag vollenden dürften.

Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber den Regionalwahlen 2015, bei denen die Nationalisten 35,34 Prozent erzielten. Allerdings hat am Sonntag nur jeder zweite wahlberechtigte Korse an der Abstimmung teilgenommen.

Die anderen Parteien landeten weit abgeschlagen auf den folgenden Plätzen. Die Regionalistische Rechte brachte es auf 14,97 Prozent, die Republikaner auf 12,77 und die Bewegung En marche von Präsident Emmanuel Macron auf 11,26 Prozent, womit sie nur Vierter wurde. Die einzige linke Liste war die der Bewegung La France insoumise (LFI), die diese vor Ort gegen den Willen von LFI-Anführer Jean-Luc Mélenchon gemeinsam mit den Kommunisten gebildet hat. Sie erhielt aber nur 5,68 Prozent der Stimmen.

Für den zweiten Wahlgang, an dem alle Listen teilnehmen können, die im ersten Wahlgang mehr als 7 Prozent bekamen, rechnet man mit einer Stichwahl zwischen den Nationalisten, deren Sieg praktisch schon feststeht, und einer rechten Liste, zu der sich die Nationalistische Rechte und die Republikaner zusammenfinden dürften. Die korsischen Nationalisten traten mit einer Pè a Corsica (Für Korsika) genannten gemeinsamen Liste ihrer beiden Fraktionen an.

Der vom gemeinsamen Spitzenkandidaten Gilles Simeoni geleitete Flügel strebt maximale Autonomie an bis hin zum Recht, eigene Gesetze zu erlassen, will aber den Verbleib Korsikas im französischen Staatsverband. Dagegen setzt sich der von Jean-Guy Talamoni geleitete Flügel die Unabhängigkeit in etwa zehn Jahren zum Ziel. Ihr Kräfteverhältnis lässt sich in etwa am Wahlergebnis von 2015 ablesen, als beide Flügel im ersten Wahlgang getrennt antraten: Die Autonomisten von Simeoni erhielten damals 17,62 Prozent, der Unabhängigkeitsflügel von Talamoni 7,73 Prozent.

Die jetzige Wahl war nötig geworden, weil die Räte der beiden korsischen Departements und der Region Korsika - in denen die Nationalisten bislang drei Viertel der Sitze hatten - beschlossen, die Departements aufzulösen und statt der Region eine einheitliche Territorialverwaltung und einen gewählten Rat zu schaffen. Über dessen Zusammensetzung wird jetzt entschieden.

Korsika hat nur 300 000 Einwohner - 0,5 Prozent der Bevölkerung Frankreichs - und ist die ärmste Region des Landes. Wirtschaftlich hängt die Insel fast ausschließlich vom Tourismus und der Landwirtschaft ab. Die jährlich 400 Millionen Euro, mit denen die Regierung die Insel unterstützt, sind pro Kopf der Bevölkerung doppelt soviel wie bei anderen Problemregionen Frankreichs.

2002 hatte die Regierung in Paris ein Sonderprogramm für Korsika beschlossen, nach dem über einen Verlauf von 15 Jahren insgesamt 2 Milliarden Euro vor allem in die Straßen, die Energieversorgung und die Universitäten der Insel investiert werden sollten. An privaten Investitionen hat es lange gemangelt durch die Unsicherheit auf der Insel aufgrund der fließenden Grenzen zwischen gewalttätigem Nationalismus und mafiöser Bandenkriminalität.

Seit die korsische Nationale Befreiungsfront FLNC 2014 die Waffen niedergelegt hat und sich alle nationalistischen Strömungen zur Demokratie bekannten, hat sich die Lage etwas gebessert. Trotzdem leben von der Bevölkerung Korsikas 20 Prozent unter der Armutsgrenze, während es im Landesdurchschnitt 14 Prozent sind. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 28 Prozent gegenüber 24 Prozent in Gesamtfrankreich. Während der Nationalismus bis hin zur Abspaltung von Frankreich seine Anhänger vor allem unter jungen Korsen findet, wollen die Armen mehrheitlich weiterhin zu Frankreich gehören, denn viele fühlen sich von den örtlichen Politikern im Stich gelassen.