Religionsbindung nimmt ab

Kirchen im ländlichen Raum haben in Hessen stärkere Bindekraft als in urbanen Zentren

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wie hast du’s mit der Religion?«, so der Titel des 50 Seiten starken und mit vielen Zahlen gespickten Papiers zu Religiosität, Religionstoleranz und Rolle der Religion in Hessen. Es gründet sich auf eine repräsentative telefonische Befragung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.

Demnach bezeichnen sich 36 Prozent der in Hessen Lebenden als evangelisch, 32 Prozent als konfessionslos und 24 Prozent als katholisch. Bei der Vorgängerstudie im Jahr 2013 hatten sich noch 40 Prozent zu evangelischen und 25 Prozent zur katholischen Religion bekannt und 26 Prozent als konfessionslos bezeichnet. Dieser Trend deckt sich mit Berichten über sinkende Einnahmen der großen Amtskirchen aus der Kirchensteuer.

Ein Blick auf die Landkarte weist große Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen aus. So befinden sich die katholischen Hochburgen vor allem rund um die Bischofssitze Limburg und Fulda und im Rheingau. Überwiegend evangelisch geprägt sind weite Landstriche im nördlichen und mittleren Hessen. Im Rhein-Main-Ballungsgebiet und in der Nordhessenmetropole Kassel jedoch haben die herkömmlichen Amtskirchen einen schweren Stand. Hier ist die Kategorie »Sonstige« am stärksten vertreten - also keine Religionszugehörigkeit oder andere Religionsgemeinschaften. Dies ist Hinweis darauf, dass die Kirchen im ländlichen Raum noch eine stärkere Bindekraft haben als in urbanen Zentren.

Entgegen weit verbreiteter Auffassungen bekennt sich die Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund in Hessen nicht zur muslimischen Religion, sondern zum Christentum. So bestehen im Land zahlreiche katholische Gemeinden, in denen italienisch, kroatisch, polnisch, portugiesisch oder vietnamesisch gesprochen wird. Der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung liegt hessenweit bei rund sieben Prozent.

Wenn in den Weihnachtstagen Festgottesdienste in hessischen Kirchen wieder zahlreiche Menschen anlocken, dürfte dies eher eine Ausnahme als eine Regel sein. So ergab die Umfrage, dass nur 15 Prozent der Bevölkerung mehrmals im Monat und elf Prozent monatlich Gottesdienste oder andere religiöse Feiern besuchen. 36 Prozent tun dies nach eigenen Angaben seltener und 38 Prozent nie.

Abgenommen hat auch der Anteil derer, die sich als »sehr religiös« bezeichnen. Laut der Studie beträgt der Anteil bei Menschen mit Migrationshintergrund derzeit zwölf Prozent und bei Menschen ohne Migrationshintergrund nur sieben Prozent.

Während 2013 noch 55 Prozent aller Befragten sich als sehr religiös oder eher religiös bezeichnet hatten, waren es bei der aktuellen Untersuchung nur noch 46 Prozent. Dabei fällt auf, dass das Maß an Religiosität auch eine Frage des Alters ist. So ist der Anteil derer, die sich als »sehr religiös« oder »eher religiös« einstufen, in der Generation zwischen 18 und 29 Jahren mit 32 Prozent und damit einem runden Drittel am geringsten. Bei der Generation 60+ sind es immerhin noch 62 Prozent und damit fast zwei Drittel.

Noch vor 50 Jahren waren »Mischehen« zwischen Katholiken und Protestanten eher verpönt und wurde Betroffenen als Grundlage für die kirchliche Trauung mitunter der Übertritt zum katholischen Glauben nahegelegt. Dies hat sich inzwischen geändert. So geht der Studie zufolge mit abnehmender Religionsbindung auch eine anhaltend hohe und weiter zunehmende Toleranz in religiösen Fragen einher. 81 Prozent der Personen mit und 78 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund können sich grundsätzlich eine Lebenspartnerschaft mit einer Person anderen Glaubens vorstellen. Drei Viertel halten religiöse Vielfalt für eine Bereicherung der Gesellschaft, während lediglich zwölf Prozent diese Auffassung vehement ablehnen.

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