Krieg in Jemen mit deutschen Waffen

Rüstungsbericht der Kirchen

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die amtierende Bundesregierung wollte sich am Montag zunächst nicht zum aktuellen Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) äußern. Es ist schon Ritual, wenn ihr Sprecher Steffen Seibert lediglich auf die grundsätzlich restriktive Exportpolitik der Bundesrepublik verweist. Nur zielt die Kritik der Kirchen seit Jahren darauf, dass zwischen diesem Anspruch und der Wirklichkeit Welten liegen. Eigentlich sollen die Richtlinien Exporte in Spannungsgebiete ja verhindern, doch Krieg in Jemen führt Saudi-Arabien an der Spitze einer Koalition auch mit Bestsellern aus hiesigen Waffenschmieden. »Ursachen von Flucht und Vertreibung werden hier von der Bundesregierung nicht bekämpft, sondern mittelbar verschärft«, betonte der evangelische GKKE-Vorsitzende Martin Dutzmann bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Unter der großen Koalition seien zwischen 2014 und 2017 Rüstungsexporte im Wert von über einer Milliarde Euro an Riad genehmigt worden, Patrouillenboote etwa oder Komponenten für Tornado- und Eurofighter-Kampfjets.

»Saudische Patrouillenboote haben dann Seehäfen blockiert und damit zivile Hilfslieferungen an Jemen gestoppt«, so Dutzmann. Zudem seien G3-Sturmgewehre, mit deutscher Lizenz in der autokratischen Öl-Monarchie gefertigt, aus der Luft abgeworfen worden, um jemenitische Regierungstruppen im Kampf gegen aufständische Huthi-Rebellen zu unterstützen. Deutschland sei mitverantwortlich für die humanitäre Katastrophe in dem bettelarmen Land. Tausende Menschen wurden bereits getötet, die meisten unschuldige Zivilisten; Zehntausende wurden vertrieben. Laut Hilfsorganisationen sind rund 20 Millionen Menschen und damit drei Viertel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Deshalb fordern die Kirchenvertreter den sofortigen Stopp der Rüstungsexporte an Saudi-Arabien, aber auch nach Ägypten, Katar, Algerien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate. Laut GKKE-Report betrafen über die Hälfte aller Einzelausfuhrgenehmigungen Staaten jenseits von NATO und EU. Der Drittstaatenanteil bei den realen Lieferungen von Kriegswaffen lag sogar bei über 90 Prozent. Insgesamt erreichten die Exporte im Vorjahr mit etwa 6,8 Milliarden und 2015 sogar mit 7,9 Milliarden Euro die höchsten Werte in den letzten beiden Dekaden. Selbst Waffenlieferungen an den NATO-Partner Tükei stufen die Kirchen als bedenklich ein, sei Ankara doch in diverse Konflikte der Region involviert. Max Mutschler, Vorsitzender der Fachgruppe Rüstungsexporte der GKKE, verwies auch darauf, dass die forcierte »Europäisierung der Rüstungsindustrie« nationale Rüstungsexportkontrollen erschwere. Die Kontrolle müsse deshalb auf europäischer Ebene gestärkt werden, sonst könne die Endfertigung von Waffensystemen dorthin verlagert werden, wo die niedrigsten nationalen Standards gültig sind. Die GKKE schließe sich einem Beschluss des Europaparlaments an und fordere ebenfalls ein Aufsichtsgremium auf EU-Ebene.

Die kommende Bundesregierung stehe in der Pflicht, eine tatsächlich restriktive Genehmigungspraxis auf den Weg zu bringen, wie der katholische GKKE-Vorsitzende Karl Jüsten erklärte. Ein Regelwerk, das sich an ethischen Kriterien orientiere und nicht nur an der Auftragslage der Rüstungsindustrie. Es sei höchste Zeit, die unverbindlichen Einzelmaßnahmen in einem bindenden Rüstungsexportkontrollgesetz zusammenzufassen, forderte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Hilfsorganisation Brot für die Welt, die der GKKE angehört.

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