Zu viel ist zu viel

Angsthasen VIII

  • Lesedauer: 2 Min.

Ich bin ein höflicher Mensch. Ich halte nach mir Kommenden die Tür auf, selbst wenn ich dafür noch drei Sekunden warten muss. Wenn jemand an mir vorbeigeht, weiche ich aus Prinzip, um zu zeigen, dass ich aufmerksam bin, ein wenig zur Seite. Es ist mir auch wichtig, für höflich gehalten zu werden. Und geradezu unangenehm ist mir die Vorstellung, andere könnten mich für unhöflich halten oder für eine von denen, die andere mit dem Handy vor dem Kopf oder eine Bierflasche vor sich hertragend über den Haufen rennen.

Ich spüre es schon körperlich, wenn abzusehen ist, dass ich anderen im Weg sein könnte. Stärkeres Schwitzen, wenn ich mit großen Taschen voller Pfandflaschen vor dem einzigen Automaten im Supermarkt stehe. Belegte Stimme, wenn ich einmal das Privileg habe, mich an »normalen« Konzertbesuchern vorbei zum Gästelistenschalter vordrängeln zu dürfen. Kopfkino, was die anderen denken und was sie Hässliches zu mir sagen könnten. Ich schnappe schon nach Luft in Anbetracht der Empörung, die ich dann empfinden würde, weil ich doch nichts Ungebührliches getan habe.

Neulich habe ich mir vorgestellt, der Busfahrer könnte mich quer durch den Bus anschreien, ob es denn die Möglichkeit sei, dass er nur wegen mir ausgerechnet auch noch an jener Station anhalten müsse. Mein Kopf wurde sofort glühend heiß, das Herz pochte, ich verfiel in hektische Bewegungen. Denn das war zu viel. Das habe ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich brüllte in voller Lautstärke durch den Bus: »HALT DIE KLAPPE UND LASS MICH RAUS! ICH MUSS SCHLIESSLICH AUCH JEDEN TAG ALLE ZEITUNGSSEITEN VOLLKRIEGEN!!« Regina Stötzel

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