nd-aktuell.de / 04.01.2018 / Kultur / Seite 18

Am Ende auch noch Elefanten

Im Kino: »The Greatest Showman« erzählt von der Erfindung des Zirkus

Caroline M. Buck

Sieben Monate, nachdem Ringley Bros. and Barnum & Bailey seine Sonderzüge verkaufte und die Kostüme einmottete, erweckt das Kino den Erfinder des Zirkus noch einmal zum Leben. Und der ist eine Naturgewalt: P.T. Barnum, Manager, Entertainer, Marketing-Genie, Showman par excellence, mit so viel Elan, Verve und Ganzkörpereinsatz verkörpert vom singenden und tanzenden Hugh Jackman (»Logan«), dass man den Mann und das Musical lieben möchte. Aber so einfach ist ja selten etwas im Leben.

Das fängt schon mit der ersten Nummer an. Da präsentiert sich Barnum in voller Manegen-Uniform, karmesinrot, betresst, ein Ringmaster wie aus dem Bilderbuch. Mit Popsongs, die mit der historischen Zeit des Geschehens nichts zu schaffen haben. Und singt vom Glück, der richtige Mann am richtigen Ort zu sein, dort, wo alles zu finden ist, was er je wollte. Nur dass es dies »alles« bisher gar nicht gibt - noch ist P.T. Barnum der barfüßige Sohn eines armen Schneiderleins, das bei seinen Hausbesuchen bei den Besserbetuchten wie ein Bittsteller behandelt wird.

Die »größte Show aller Zeiten« liegt in der Zukunft, erst kommen die armen Jahre, die bloßen Jobs, das schlechte Gewissen, weil Barnum seiner Frau (Michelle Williams), der Tochter eines jener Besserbetuchten und seine Kindheitsliebe, nicht auch nur entfernt das Leben bieten kann, dass er ihr - und ihrem Vater - einst versprach. Dieser Barnum ist ein Mann mit Fantasie, der den falschen Träumen hinterherläuft und seiner Frau nie glauben will, dass sie auch so ganz glücklich ist.

Als ihm die zündende Idee kommt, wie er doch noch reich und berühmt werden kann, fällt ihm nichts besseres ein, als seiner neuen Truppe zirkusgängiger Freaks zu erklären, wenn sowieso alle über sie lachten, könnten sie doch zumindest Geld dafür nehmen. Was so anfängt, wird zur Chance auf Selbstverwirklichung für alle, und die Dame mit Bart, der Kleinwüchsige mit den traurigen Augen, der Riese und der Junge mit Gesichtsbehaarung haben Teil am Erfolg. Weil das Publikum mitgeht, wenn die Show auf der Bühne stattfindet. Und weil mancher in Barnums buntgemischter Truppe tatsächlich etwas kann und nicht nur etwas ist: Die Bärtige kann singen, die Trapezkünstlerin ist bildschön - ihr einziges Handicap ist, dass sie schwarz ist. Eines der wesentlichen Probleme des Films, lange bevor Barnum seinen Darstellern den Rücken kehrt, weil er im schwedischen Opernwunder Jenny Lind die gesellschaftsfähigere Jahrmarktattraktion gefunden hat und sich anschickt, die New Yorker High Snobbiety zu erobern: Um hier ein Freak zu sein, genügt es schon, von Sklaven abzustammen. Eine Sicht der Dinge, die ebenso irritiert wie die Popsongs, die in Kostümen des 19. Jahrhunderts dargeboten werden.

»The Greatest Showman« ist ein Musical-Film, der nicht auf einem Bühnen-Musical beruht, gedreht von einem Debütanten, der in Australien im Spezialeffekte- und Animationsbereich arbeitete. Und P.T. Barnum ist eine Rolle, die Hugh Jackman seit Jahren spielen wollte - nur dass kein Geldgeber an das kommerzielle Potenzial eines Musicals glaubte, das nicht auch schon auf der Bühne erfolgreich war. Dann kam »La La Land« (die Songtexte sind vom selben Team geschrieben), und mindestens einen »La La Land«-Moment kann »The Greatest Showman« auch vorweisen.

Meist aber ist alles viel bunter, energiegeladener. Dass Jackman und Williams zu alt sind für die Rollen, verzeiht man gern.

Als ihm der Zirkus niederbrennt, erfindet Barnum kurz vor Schluss dann auch noch die Zirkuskuppel. Eine gute Idee schon deshalb, weil man ein Zelt auf einer Brache aufstellen kann, während das erste Barnum- »Museum« auf dem teuren Boden stand, auf dem das moderne Manhattan entstehen wird. Und ein kritischer Kritiker sieht das Licht und erkennt Barnums Show als das, was sie (auch) sein sollte: ein Vehikel, um Leute glücklich zu machen.

Und weil Barnum irgendwann einen würdigen Stellvertreter hat, kann er sich schließlich ganz der Familie widmen und pünktlich zur Ballettpremiere seiner Tochter erscheinen. Nicht ohne großen Auftritt, versteht sich: am Ende also auch noch Elefanten.