Alles eine Frage des Standorts

Studie untersucht Gefährdung von Vögeln und Fledermäusen durch Windkraftanlagen

  • Benjamin Haerdle
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Größe von Windkraftanlagen stört Vögel und Fledermäuse weit weniger, als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Naturschutz Deutschland (NABU) im Auftrag des schleswig-holsteinischen Landesamtes für Umwelt und Natur erstellt hat.
In den nächsten Jahren werden viele der bundesweit derzeit rund 18 500 Windkraftanlagen modernisiert. Mit diesem sogenannten Repowering werden ältere, kleine durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt, die häufig höher als 100 Meter sind. Der 40-seitigen NABU-Studie zufolge hat das Repowering für viele Vögel zur Brutzeit keine negativen Auswirkungen. »Viele Brutvögel lassen sich scheinbar von kleinen und mittleren Anlagen mehr stören als von großen«, sagt Hermann Hötker, Leiter des Michael-Otto-Instituts im NABU und Autor der Studie. Dies gelte zum Beispiel für sonst so empfindliche Watvogelarten wie Uferschnepfe, Großer Brachvogel und Rotschenkel. Warum das so ist, darauf weiß auch Hötker keine sichere Antwort. Er vermutet aber, dass die Vögel die Rotoren größerer Anlagen nicht so sehr wahrnehmen, weil sich diese in deutlich größerer Höhe befinden als bei kleineren Anlagen. Darüber hinaus konnte der Experte feststellen, dass manche Vogelarten wie Rohrammer, Schilfrohrsänger und Schwarzkehlchen generell vom Bau der Windmühlen profitieren. Sie nutzen die mit Schilf und Hochstaudenfluren bewachsenen Gräben und Wegränder, die zuvor in der Ackerlandschaft nicht vorhanden waren, als neuen Lebensraum.
Negative Folgen der Anlagenvergrößerung konnten in der Analyse, für die Hötker insgesamt 180 Studien aus dem In- und Ausland auswertete, jedoch für 16 von 23 untersuchten Vogelarten außerhalb der Brutzeit nachgewiesen werden. So halten Kiebitze, Goldregenpfeifer, Stare oder einige Finkenarten einen deutlich größeren Abstand zu Windkraftanlagen, je größer diese ausfallen. Auch viele Gänse- und Entenarten gehen in der Regel zu den Anlagen oft mehrere hundert Meter auf Distanz. Damit werden sie häufig aus den angestammten Rast- und Nahrungsgebieten vertrieben. Weniger gestört fühlen sich dagegen Pfeifente und Bekassine.
Die Studie belegt außerdem, dass die Kollisionsgefahr für Vögel und Fledermäuse weniger durch die Anlagengröße beeinflusst wird als durch den Standort. »Windräder gehören nicht an Gewässer und auf kahle Bergrücken sowie in Wälder, weil es hier zu den meisten Unfällen mit Vögeln oder Fledermäusen kommt«, sagt Hötker. Die Kollisionsraten an solchen kritischen Standorten liegen laut der Untersuchung um ein mehrfaches höher als in der übrigen offenen Landschaft. Beispielsweise kommen an einer Windkraftanlage in einem Waldstück beim Schwarzwalddorf Freiamt jährlich mehr als 100 Fledermäuse pro Turbine ums Leben; an einem vergleichbaren Wiesenstandort in der Nähe dagegen keine einzige. Für Fledermäuse spielt der Studie zufolge die Anlagenhöhe keine Rolle.
Bei Vögeln nimmt das Kollisionsrisiko mit zunehmender Anlagenhöhe sehr wohl zu - allerdings nur, wenn sich diese in der relativ risikolosen Normallandschaft wie etwa auf Äckern und Wiesen fernab von Gewässern befanden. An Feuchtgewässern und Bergrücken bleibt die Gefahr für viele Vögel, von einem drehenden Rotorblatt erfasst zu werden, dagegen gleichhoch, egal ob die Windmühlen älteren oder neuen Typs sind. Hier wird die Kollisionsrate entscheidend vom Standort beeinflusst. Dies betrifft in Deutschland vor allem Vogelarten wie Seeadler und Rotmilan, die in sehr hohen Zahlen den Rotoren zum Opfer fallen. Der NABU erneuerte deshalb seine Forderung, Anlagen an ungünstigen Standorten zu entfernen und dafür leistungsstärkere Windräder an anderer Stelle zu installieren.

Die Studie im Internet:
www.nabu.de/m07/m07_05/06358.html
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