Geht es ohne Kohle nicht?

Europäisches Klimaforum für Kraftwerke mit CO2-Abscheidung

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 2 Min.
Kosten und Nutzen der von der EU angekündigten Klimaschutzmaßnahmen waren in der vergangenen Woche nicht nur Thema eines dubiosen Reports der Unternehmensberatung McKinsey, sondern auch von Debatten bei der Jahrestagung des European Climate Forum (Europäischen Klima-Forums, ECF) in Berlin.
Was kann man für Klimaschutzprogramme von einem Gremium erwarten, in dem sich neben Klima- und Wirtschaftsforschern Versicherungen sowie zwei großen Umweltorganisationen auch der Energieversorger RWE und der Ölkonzern BP finden? Nicht viel, sollte man meinen. Doch der Besucher der ECF-Jahrestagung wurde in vielerlei Hinsicht in seinen Erwartungen positiv überrascht. Einzig bei der Begeisterung einiger Redner für die CO2-Abscheidung und anschließende unterirdische Deponierung hätte man die Nähe zu den großen Energieversorgern herauslesen können. Ansonsten war man sich von BP bis Greenpeace einig, dass der derzeitige Handel mit CO2-Emissionszertifikaten wirkungslos ist. BP-Umweltpolitik-Berater Chris Mottershead bestätigte auf Nachfrage, dass er eine Versteigerung der Verschmutzungslizenzen sinnvoller fände als die auch in Deutschland praktizierte kostenlose Vergabe der Zertifikate. Die Einnahmen aus der Versteigerung - so der ECF-Vorsitzende Carlo Jäger vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung - sollten allerdings nicht im allgemeinen Staatshaushalt verschwinden, sondern zweckgebunden in die Entwicklung und Einführung neuer Energiespartechnologien investiert werden. Verbindliche Zielvorgaben des Staates für Neuinvestitionen mahnte Siemens-Vize Hans-Peter Böhm an. Erhebliche CO2-Reduzierungen ließen sich bereits mit dem derzeitigen Stand der Technik erreichen - vorausgesetzt, entsprechende Investitionen würden attraktiv. In dieser Hinsicht sei das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz vorbildlich gewesen. Dass es bei alledem für die Hauptakteure - seien es Unternehmen oder Konsumenten - im Kern ums Geld geht, machte eine zeitgleich zur ECF-Tagung ausschnittweise bekannt gewordene Studie der Unternehmensberatung McKinsey deutlich. Darin werden die Kosten der EU-Klimaschutzmaßnahmen mit 1,1 Billionen Euro deutlich höher angesetzt als bei bisherigen Schätzungen und sogar als in anderen Studien der absehbare Schaden. Dem widersprach am Rande der ECF-Tagung Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Das McKinsey-Modell sei zu statisch. Überdies würden die Gewinne durch Klimaschutzmaßnahmen zwar erwähnt, aber nicht gegengerechnet. Ebenso sei nicht bedacht, dass verzögerte Klimaschutzmaßnahmen teurer werden. Schon heute bieten die erneuerbaren Energiequellen ein beachtliches wirtschaftliches Potenzial für Deutschland: 215 000 Arbeitsplätze seien in der Branche bereits entstanden - Tendenz steigend. Ohnehin handelt es sich nicht einfach darum, zusätzlich Geld für Klimaschutz auszugeben, erinnerte der britische Sonderbotschafter für Klimawandel, John Ashton. Wenn im kommenden Jahrzehnt weltweit jährlich ca. 500 Milliarden Euro in neue Kraftwerke und derselbe Betrag in Straßen und Gebäude investiert wird, ist entscheidend, wie diese Summen auf den klimafreundlichsten Weg gelenkt werden. Dann könnten diese Investitionen eine neue industrielle Revolution finanzieren. Vielleicht ein Bombengeschäft für Europa.
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