Pharmakonzern muss Akten öffnen

Nebenwirkungen kein Geheimnis mehr

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Dänemark ist das erste Land in Europa, das Patienten die Möglichkeit gibt, Einblick in interne Berichte der Pharmaindustrie zu nehmen.

Nach vier Jahren zähem Ringen ist es der dänischen Zeitung »Information« gelungen, Akteneinsicht in die internen Sicherheitseinschätzungen des Pharmakonzerns Roche für das Aknemittel Roaccutan zu bekommen. Die staatliche Arzneibehörde behandelte das Verfahren als Präzedenzfall für künftige Wünsche der Presse bzw. betroffener Organisationen und Privatpersonen. Roche hat noch nicht entschieden, ob man den juristischen Kampf fortsetzen will, um eine endgültige und bindende Entscheidung herbeizuführen. Pharmaunternehmen erstellen periodische Sicherheitsreports, kurz PSUR, bei denen sie sich auf Berichte und Klagen über Nebenwirkungen stützen. Der Schweizer Pharmagigant verweigerte die Akteneinsicht mit dem Argument, die PSUR seien in Fachjargon verfasst und enthielten persönliche Daten von Patienten. Besser sei ein verständlich geschriebenes Informationsmaterial. Die Zeitung machte bei ihrer Veröffentlichung alle persönlichen Daten sowie die Umsatzzahlen unkenntlich. Roaccutan wurde von »Information« ausgewählt, weil das Medikament weltweit in Verdacht steht, insbesondere bei Jugendlichen Depressionen zu erzeugen, die letztlich sogar zu Selbstmord oder Selbstmordversuch führen können. Der Zusammenhang zwischen dem Medikament und seinen Nebenwirkungen ist laut der Zeitung in den PSUR dokumentiert. Verbraucherorganisationen und Patientenvereinigungen begrüßten die Möglichkeit, Einblick in die internen Einschätzungen der Produzenten zu bekommen. Einzelne Stimmen wiesen jedoch auch darauf hin, dass die Sicherheitsberichte kein leichtverdauliches Material sind und Einschätzungen zu Details immer im Zusammenhang mit der Gesamtwirkung einer Arznei gesehen werden müssen. Ähnlich argumentiert auch die dänische Vereinigung der Pharmaproduzenten (LIF). Sie warnt vor »Diskussionen über isolierte Problemstellungen außerhalb des Zusammenhanges« und einer daraus resultierenden »Verschwendung von Ressourcen, die den Patienten keinen Mehrwert an Informationen gibt«. Tatsächlich sind die Berichte eher für Experten als für einzelne Betroffene geeignet. Die Öffentlichkeit kann aber künftig eine wichtige Rolle spielen, falls ein Präparat in Verbindung mit schweren Nebenwirkungen bei Patienten gebracht wird. Während des Kampfes um das Recht auf Akteneinsicht betonte Roche auch, dass die Veröffentlichung der Berichte den Umsatz weltweit beeinflussen könne. Produzenten billiger Nachahmerpräparate bekämen kostenlos die Grundlage, Roches Position am Markt zu schwächen. Dies entpuppte sich als Eigentor: Das Argument, dass Marktinteressen wichtiger seien als die Rücksichtnahme auf Gesundheit und Leben von Patient...

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