nd-aktuell.de / 08.01.2018 / Politik / Seite 1

Die fünfte Gewalt im Staat

Weil die Justiz den Tod von Oury Jalloh nicht aufklärt, machen Aktivisten Druck

Dessau. »Ich habe keinen Bock, zu diesem Scheiß noch irgendwas zu sagen.« Mit diesen Worten hatte Manfred Steinhoff seine Urteilsbegründung am Landgericht Magdeburg beendet. Er musste die tatverdächtigen Polizisten im Fall Oury Jalloh aus Mangel an Beweisen freisprechen. Nicht nur dem Richter fehlen die Worte. Auch den mehr als 3000 Demonstranten bleibt am Sonntag in Dessau nichts anderes als Sprechchöre, um Polizei und Justiz zu sagen: Wir wollen von euch die Wahrheit wissen! Am Sonntag vor 13 Jahren war Oury Jalloh unter ungeklärten Umständen in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt.

Wird es eines Tages den Beweis einer Mordtat an Oury Jalloh geben? Vermutlich nicht. Die mutmaßlichen Täter schweigen. Doch inzwischen ist die Beweislast erdrückend. Allerdings nur, weil Aktivisten selbst Nachforschungen anstellten. Und erst kürzlich hatte ein Ermittler erneut die These einer vorsätzlichen Tötung in die Öffentlichkeit gebracht. War es also wirklich Mord?

Ein bereits 2013 fertiggestelltes Brandgutachten kommt zu drei Schlüssen. Erstens. Hätte Jalloh das Feuer selbst gelegt, wäre nur ein Schwelbrand entstanden. Sein Körper aber war verkohlt. Nur mit einem Brandbeschleuniger ist das zu erklären. Zweitens. Hätte Jalloh beim Ausbruch des Feuers geatmet, fänden sich Rußpartikel in seiner Lunge - davon gab es keine Spur. Und drittens. Er hätte um sein Leben geschrien. Doch sein Adrenalinpegel war normal; Oury Jalloh muss bei Ausbruch des Feuers schon bewusstlos gewesen sein. Also Mord?

Warum hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen trotzdem immer noch nicht übernommen? Warum sperren sich Union und SPD gegen einen Untersuchungsausschuss? Deutschland ist ein Rechtsstaat: Warum ist es ihm unmöglich, dieses Verbrechen endlich aufzuklären? nd Seite 5