Arm bleibt arm und reich studiert

Auch von Stipendien profitieren in erster Linie die Kinder des Bürgertums

  • Michael Hartmann und Jens Wernicke
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Stipendien werden von Befürwortern der Studiengebühren als Wundermittel für soziale Chancengleichheit gepriesen. Aber auch dieses Instrument fördert die Bildungsungerechtigkeit, wie die Bundesregierung jetzt in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zugeben musste.

In Zeiten von Studiengebühren wird intensiver über Stipendien diskutiert. Durch sie, so die Bundesregierung, soll sichergestellt werden, dass begabte junge Menschen aus den bildungsfernen Schichten - trotz Gebühren - ein Studium möglich ist. Die Bundesregierung plant, noch binnen dieser Legislaturperiode die Mittel der so genannten Begabtenförderung soweit zu erhöhen, dass in Zukunft ein (statt bisher etwa 0,7) Prozent aller Studierenden ein Stipendium erhalten. Interessant ist, wer bisher gefördert worden ist. Wie die Antwort des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf eine Anfrage der Linksfraktion zeigt, erhielten 2006 etwa 14 000 Studierende ein Studien- sowie knapp 3000 ein Promotionsstipendium. Davon bekamen jedoch gut 40 Prozent »nur« das Büchergeld in Höhe von 80 Euro monatlich. Das bedeutet: Mehr als 40 Prozent der mittels Steuergeldern geförderten »Begabten« entstammen nach den Worten des Ministeriums Familien mit einer »hohen Einkommenssituation«. Auffallend sind die großen Differenzen zwischen den einzelnen Studienwerken. Hans-Böckler- und Rosa-Luxemburg-Stiftung wiesen mit 68,85 bzw. 44,33 Prozent den weitaus höchsten Anteil an StipendiatInnen mit der vollen Fördersumme auf. Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft, die Friedrich-Naumann-Stiftung und die mit Abstand größte und einflussreichste Stiftung, die Studienstiftung des deutschen Volkes, bilden das andere Extrem. Jede(r) zweite StipendiatIn erhielt nur das Büchergeld. Bei den Vollstipendiaten ist die Studienstiftung mit einem Anteil von gerade einmal 15,89 Prozent sogar Schlusslicht. Diese Zahlen sprechen dafür, dass bei diesen drei Stiftungen, die über 8200 der insgesamt 13 415 Stipendiaten fördern, trotz aller entgegenlautender Beteuerungen Stipendien nach wie vor stark anhand von Kriterien vergeben werden, bei denen eine hohe oder gehobene »soziale Herkunft« eine entscheidende Rolle spielt. Zum einen ist das durch Stipendien belohnte Kriterium »Leistung« schlicht blind dafür, dass familiär Begünstigte eben viel eher und einfacher als Benachteiligte »gute Leistungen« zu erbringen vermögen. Zum anderen gibt es offensichtlich (wie in anderen Ländern auch) informelle Maßstäbe, die für soziale Selektivität sorgen. Die aktuelle Praxis der Vergabe von Stipendien verstärkt die Bildungsungerechtigkeit also noch weiter. Wenn, was bereits geschieht, die Stipendiaten der Förderwerke an einigen Hochschulen nun per se von Studiengebühren freigestellt werden, heißt das konkret: Die ohnehin bereits Privilegierten werden noch stärker privilegiert. Während die relativ wenigen Jugendlichen aus den bildungsfernen Schichten, die es überhaupt bis an die Hochschulen schaffen, Studiengebühren bezahlen müssen, werden die Stipendiaten, die zu einem großen Teil aus...

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