nd-aktuell.de / 13.01.2018 / Kultur / Seite 9

Wider die moralische Indifferenz!

Der Protestantismus in seiner calvinistischen Ausprägung hat doch gesiegt. Es hat zwar gut 500 Jahre gedauert, aber der Katholizismus mit seinem Hang zur moralischen Indifferenz ist niedergerungen. Diese Woche zeigte der Calvinismus, dessen Credo darin besteht, dass jeder Mensch zur tugendhaften Lebensführung verpflichtet sei, will er nicht dereinst im Fegefeuer landen, wie weit er es gebracht hat. Bei der Verleihung der Golden Globes in Los Angeles erschienen viele weibliche, aber auch männliche Schauspieler und Prominente schwarz gekleidet. Mit dieser wohlfeilen, aber folgenlosen Aktion sollte ein Zeichen gegen sexuelle Übergriffe in der Filmbranche gesetzt werden. Das deutsche Fotomodel Barbara Meier entschied sich dennoch für ein Blümchen-Kleid und musste sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, unsolidarisch mit den Opfern sexueller Gewalt zu sein. Das Wesen der Tugendhaftigkeit bestand schon immer in ihrer Selbstüberhöhung, an der sie sich ergötzt und mit der sie sich über andere erhebt; als größter Feind gilt ihr das eigene Wollen, das Laster, das sie mit Charakterschwäche gleichsetzt.

Wo aber an die Stelle von Politik der Appell tritt, wo nicht mehr die Veränderung von Gesellschaft, sondern blinder Moralismus herrscht, ist der Tugendterror nicht weit. Am Mittwoch forderte die CSU-Politikerin Marlene Mortler die nationale Filmindustrie auf, Filme zu produzieren, in denen nicht oder wenigstens weniger geraucht wird. Die Filmwirtschaft müsse »sich des eigenen Einflusses auf die Gesundheit der Zuschauer bewusst werden«, erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die in ihrem Ursprungsberuf als Hopfenanbauerin Erfahrung mit der Herstellung von Drogen hat.

Rauchen ist unzweifelhaft gesundheitsschädlich, auch sind Raucher charakterschwache Menschen. Der Schreiber dieser Zeilen bekennt hiermit, Nichtraucher aus Leidenschaft zu sein und Orte zu meiden, an denen diesem Laster gefrönt wird. Auch wird er sich Filme, in denen geraucht wird, künftig aus Solidarität mit allen Opfern des Passivrauchens nur noch mit Abscheu anschauen. jam Foto: imago/blickwinkel