nd-aktuell.de / 17.01.2018 / Berlin / Seite 9

Billige Hilfskraft war einmal

An mehreren Universitäten gingen studentische Beschäftigte auf die Straße

Philip Blees

Die Streiklisten hängen, die Kundgebungen sind angemeldet - und die Beschäftigten auf der Straße: Für Dienstag riefen die Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und ver.di die rund 8000 studentischen Hilfskräfte zum ersten Warnstreik um den TVStud auf. So heißt der Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten an den Universitäten des Landes. Rund 1500 Studierende fanden sich am Nachmittag auf dem Bebelplatz in Mitte zusammen, um ein starkes Zeichen an die Präsidien der Hochschulen zu senden.

Doch auch am Morgen gab es bereits zahlreiche Aktionen an den Universitäten. Es wurden Streikbüros eingerichtet und Streikposten besetzt. An der Freien Universität (FU) fand eine Streikversammlung statt. Dort wurde hitzig diskutiert: Sind Verhandlungen mit einzelnen Hochschulen sinnvoll? Oder muss für alle studentischen Beschäftigten gesprochen werden? Wann ist der nächste Streik? Der Wille zum Arbeitskampf wird sichtbar. Klar ist: Nun wollen die Studierenden »den Druck erhöhen«, so ein Teilnehmer der Diskussion. Nach der Versammlung ging es dann mit Trillerpfeife und Megafon über den Campus und später gemeinsam mit der Bahn in Richtung Humboldt-Universität (HU), vor dessen Hauptgebäude die zentrale Kundgebung stattfand. Dort wurden die Streikgruppen mit viel Lärm empfangen. Ein Transparent am Gebäude der HU verkündete: »17 Jahre Lohnstillstand: Wir streiken!« Fahnen der GEW und von ver.di wehten im Wind.

»Ich sehe hier den Beginn einer durchsetzungsfähigen Streikbewegung«, sagte André Pollmann von ver.di. Der Gewerkschaftssekretär war früher einmal selbst studentische Hilfskraft. »Die Hochschulen wollen die Tariflücke von 17 Jahren nicht schließen«, so Pollmann weiter. Damit sei jetzt Schluss.

Udo Mertens, Verhandlungsführer der GEW, sieht das ähnlich: »Dieser Streik ist überfällig.« Die Forderungen würden nur einem Inflationsausgleich entsprechen. Das sei gerade für Studierende wichtig, denn die Lebenskosten in der Stadt explodierten. Matthias Neis von ver.di forderte die Hochschulen auf, diese Realität endlich anzuerkennen. Die Hochschulen sollten nun »schnell ein überarbeitetes Angebot auf den Tisch legen«.

Die Uni-Leitungen reagierten derweil angespannt auf den Streik. Während die FU die Rechtmäßigkeit des Aufrufs der Gewerkschaften anzweifelte (»nd« berichtete), hat die Hochschule für Wirtschaft und Recht, laut der TVStud-Initiative, »keine Ahnung, was Streik bedeutet«. Die Hochschule soll ein Schreiben verschickt haben, in dem sie ankündigt, im Falle eines Streiks ausfallende Arbeitszeit nicht zu bezahlen.

Nachdem Mitte Dezember die fünfte Verhandlungsrunde mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) geplatzt war und der Tarifvertrag gekündigt wurde, konnte seit Anfang des Jahres wieder gestreikt werden. Das Ziel: ein Stundenlohn von 14 Euro und die stetige Anpassung an die nicht studentischen Angestellten. Für den Arbeitgeberverband »Maximalforderungen, die nicht erfüllt werden können«.

Für die Studierenden der Hochschulen, die BAföG erhalten, hat der Streik übrigens keine Konsequenzen. Im Falle von ausfallenden Tutorien oder der eingeschränkten Nutzung etwa von Bibliotheken sind die Hochschulen verpflichtet, »ein reibungsloses Studium zu ermöglichen«, so die Sozialberatung der TU. Das heißt, dass der Förderanspruch durch BAföG nicht wegen der Überziehung des Förderzeitraums aufgrund eines Streiks verfällt. Auch Verzögerungen bei Hausarbeiten oder ähnlichem müssen die Hochschulen beachten und Verlängerungen gewähren.

Es gibt also keinen Grund für die studentischen Beschäftigten, nicht zu streiken. Das findet auch Anja Schillhaneck, Wissenschaftsexpertin der Grünen-Fraktion. Sie verkündet auf Twitter: »Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen!« Wenn es nach den Studierenden geht, werden sie das auch nicht. Laura Haßler, HU-Mitarbeiterin, sagt: »Wir sind fest entschlossen, uns nicht länger als billige Hilfskräfte abspeisen zu lassen.«