nd-aktuell.de / 17.01.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

EU sieht Plastikmüll als Geschäftsfeld

Verpackungen sollen nicht mehr die Gewässer verschmutzen, sondern recycelt werden

Kay Wagner, Brüssel

Haushaltskommissar Günther Oettinger hatte sie vergangene Woche schon angekündigt, jetzt ist sie da: die EU-Langzeitstrategie gegen Plastikmüll. Bis 2030 sollen im europäischen Binnenmarkt alle Verpackungen wiederverwertbar sein. Einwegplastik soll auf ein Minimum reduziert und die Verwendung von besonders umweltschädlichem Mikroplastik, das oft in Kosmetikartikeln vorkommt, deutlich eingeschränkt werden.

Die EU-Vizekommissionspräsidenten Frans Timmermans und Jyrki Katainen stellten die Strategie am Dienstagnachmittag in Brüssel vor und begründeten sie mit Sorgen um die Umwelt und Gesundheit der Bürger sowie wirtschaftlichen Interessen. »Wenn wir nichts an der Art und Weise ändern, wie wir Plastik herstellen und nutzen, werden wir bald mehr Plastik als Fische in unseren Meeren haben«, sagte Timmermans. Plastik sei ein großes Problem für die Umwelt geworden, vor allem für die Gewässer. 85 Prozent des weltweiten Abfalls, der an Küsten geschwemmt werde, sei Plastik.

Große Mengen bleiben aber in den Gewässern. Fische und andere Meerestiere nehmen das Plastik auf; so gelangt es über die Nahrungskette zurück zum Menschen. 74 Prozent der EU-Bürger seien besorgt über gesundheitliche Schäden, 87 Prozent machten sich Sorgen um die Umwelt, zitiert die EU-Kommission eigene Statistiken. 25 Millionen Tonnen Plastikmüll produzieren die Europäer jedes Jahr, nur 30 Prozent davon würden recycelt.

Diese Quote zu erhöhen, sieht die Kommission als Chance für die europäische Wirtschaft an. »Das schafft neue Möglichkeiten für Innovation, Wettbewerb und qualitativ hochwertige Jobs«, stellte Katainen in Aussicht. Er hoffe, die europäische Industrie werde »Weltmarktführer bei der Entwicklung und Nutzung neuer Technologien und Materialien«. Derzeit seien in der EU 1,5 Millionen Menschen im Plastiksektor beschäftigt. Mit der neuen Strategie würden 200 000 neue Jobs in der Recycling-Indus-trie geschaffen.

Konkret stellte die EU-Kommission einen Fahrplan vor, wann welche wichtigen Entscheidungen getroffen werden sollen. Einen ersten Gesetzesvorschlag legte sie gleich mit vor. So sollen Häfen besser ausgerüstet werden, den Abfall von Schiffen aufnehmen zu können. Diesen selbst soll es weitgehend verboten werden, die während der Fahrt anfallenden Abfälle im Meer zu entsorgen. Weitere Gesetzesvorschläge sollen im Laufe des Jahres folgen.

Dass das Parlament und der Ministerrat die Strategie mittragen werden, davon geht die Kommission grundsätzlich aus. Ob dies so weit reicht, dass die Mitgliedstaaten auch eine EU-Plastiksteuer mittragen, wie sie Oettinger vergangene Woche als Möglichkeit in den Raum stellte, ist allerdings höchst ungewiss. Wohl auch deshalb ist in der jetzt vorgestellten Kommissionsstrategie davon nichts zu lesen.