nd-aktuell.de / 18.01.2018 / Brandenburg / Seite 12

Wölfe töten: Bauernbund beruft sich auf Notwehr

Streit um Umgang mit der geschützten Tierart geht in die nächste Runde

Andreas Fritsche

»Schießen, schippen, schweigen - sagen sich inzwischen viele auf dem Lande. Wir werden uns hüten, die sprichwörtlichen drei S hier zu bewerten. Aber wir versprechen Ihnen, noch im Frühjahr 2018 eine verständliche Information darüber zu veröffentlichen, weshalb und unter welchen Voraussetzungen es nach unserer Rechtsauffassung bereits heute zulässig ist, Wölfe zu töten.«

So heißt es auf der neuen Internetseite wolfsfreiezone.de. Dahinter steckt der brandenburgische Bauernbund. Er ist erzürnt über die im Dezember 2017 vom Agrarministerium erlassene Wolfsverordnung. Darin ist geregelt, dass Wölfe im Ausnahmefall abgeschossen werden dürfen, wenn sie Menschen gefährden oder wiederholt in ein und dieselbe Viehherde eingebrochen sind. Die Jagd ist demnach nur zulässig, wenn alles andere nicht geholfen hat, wenn der Wolf beim besten Willen nicht verscheucht und nicht eingefangen werden konnte.

Dem Bauernbund reicht das nicht aus. »Das Wolfsmonitoring ist fehlerhaft, die Wolfsverordnung ist wirkungslos, das Wolfsmanagement ist gescheitert«, schimpft Präsident Marco Hinzte am Mittwoch auf seinem Hof in Krielow (Potsdam-Mittelmark). Der Bauernbund werde den Widerstand der Landbevölkerung gegen den Wolf organisieren, kündigte Hintze an. »Überall, wo Menschen und Weidetiere sind, müssen Wölfe konsequent gejagt werden«, forderte der Landwirt, der mit drei Beschäftigten Ackerbau betreibt, 100 Kühe auf der Weide hält und 100 Kühe im Stall und der das Rindfleisch selbst an die Konsumenten vermarktet. Von wolfssicheren Zäunen, die mindestens 1,20 Meter hoch sein sollen und auf fünf Drähten eine Spannung von 4000 Volt anliegen haben, hält Hintze nichts. Das verschandele die Landschaft. »Da haben wir einfach keine Lust drauf, und das ist auch nicht zu finanzieren.«

Reinhard Jung, Landesgeschäftsführer des Bauernbundes, beruft sich auf das Recht zur Notwehr. Doch wie Notwehr angeführt werden könnte, wenn ein Bauer einen Jäger bittet, Wölfe abzuschießen, ohne dafür bestraft zu werden, das können Jung und Hinzte gegenwärtig auch nicht genau sagen. Ein solcher Fall sei noch nicht vor Gericht verhandelt worden. Sie wollen das juristisch prüfen lassen und erst danach im Frühjahr den Bauern Tipps geben, wie sie sich verhalten sollen.

Zunächst läuft ihre Kampagne auf einer anderen Schiene. Es werden ab jetzt Unterschriften gesammelt, und am 9. März sollen zur Mahnung an mindestens 15 Standorten in Berlin und Brandenburg Lagerfeuer entzündet werden. Weitere Aktionen seien geplant, heißt es.

Hintze selbst ist im Jahr 2012 betroffen gewesen. Fünf Kälber sind ihm damals an einem Feiertag gerissen worden. »Das ist ins Lächerliche gezogen worden«, beschwert sich der Landwirt. Ihm sei vorgehalten worden, er habe den Schaden nicht umgehend gemeldet und könne deswegen keine Entschädigung bekommen.

Im vergangenen Jahr hatte das Agrarministerium 76 532,30 Euro Entschädigung gezahlt - für 207 gerissene Schafe, 33 Rinder, elf Stück Damwild, eine Ziege und ein Pferd. Bei einem Zuwachs von 30 Prozent jährlich rechnet der Bauernbund hoch, dass die Wolfspopulation im Jahr 2020 die Marke von 1000 Exemplaren erreicht hat.