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Dunkelrote Farbtupfer in der hellroten Gewerkschaft

Im neuen DGB-Bezirksvorstand Berlin-Brandenburg sind jetzt die Vizevorsitzende und ein Regionsgeschäftsführer Mitglieder der Linkspartei

Bei der Konferenz des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg schließt die Bezirksvorsitzende Doro Zinke die Begrüßung der Gäste mit der Bemerkung ab: »Ich entschuldige mich bei allen, die ich vergessen oder deren Namen ich falsch ausgesprochen habe.« Sie schmunzelt: »Es kommt nicht wieder vor.« Es kann nicht wieder vorkommen. Denn Doro Zinke setzt sich nach acht Jahren in dieser Spitzenfunktion zur Ruhe.

Am Sonnabend rückt ihr Stellvertreter Christian Hoßbach nach. Die DGB-Bezirkskonferenz, die nur alle vier Jahre stattfindet, wählt den Mann von der IG Metall zum neuen Vorsitzenden. Als seine Stellvertreterin wird im Kongresshotel Potsdam Sonja Staack von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bestimmt. Staack ist Mitglied der Linkspartei. Das ist das Ungewöhnliche an dieser Personalien, denn traditionell dominieren Sozialdemokraten die Chefetagen bei der Gewerkschaft. Im DGB-Bezirksvorstand ist Staack als Sozialistin allerdings nicht allein. Als einer von vier DGB-Regionsgeschäftsführern wird Sebastian Walter bestätigt. Er übt dieses Amt in Ostbrandenburg aus. Hoßbach wird mit 81 Prozent der Stimmen gewählt, bei Staack und Walter sind es je 97 Prozent.

Wie eng die Verbindung von Gewerkschaft und SPD ist, zeigt sich im Kongresshotel beim Grußwort des DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann. Er betont: »Wir brauchen eine handlungsfähige SPD.« Im Saal wird geklatscht. Ultrakurz applaudiert sogar Sebastian Walter, obwohl er Vizevorsitzender der brandenburgischen Linkspartei ist. Darauf angesprochen, bestätigt Walter: »Wir brauchen doch einen Koalitionspartner.« Die nächste Landtagswahl findet 2019 statt, und im Moment hat Rot-Rot in Potsdam den Umfragen zufolge keine Mehrheit mehr.

Das ist hier am Sonnabend aber kein großes Thema. Besprochen wird dagegen sehr oft das Für und Wider einer großen Koalition auf Bundesebene. Als DGB-Bundeschef Hoffmann für diese Regierungskonstellation wirbt, erntet er neben verhaltenem Beifall auch Buhrufe. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wollte beim DGB eigentlich keine Parteitagsrede halten, macht es in Ansätzen aber doch. »Es geht nicht darum, dass wir uns wohlfühlen. Es geht darum, die Dinge, die auf dem Tisch liegen, anzufassen«, argumentiert er. »Wir müssen heute kämpfen gegen Altersarmut. Das können wir nicht verschieben auf die Zeit in vier oder in acht Jahren. « Woidke verrät, dass es ihn ärgert, wenn gesagt werde, die SPD müsse in die Opposition, um sich zu erneuern. »In Bayern erneuert sich die SPD seit 60 Jahren«, bringt Woidke ein Beispiel dafür, dass der Gang in die Opposition keineswegs auf eine Stärkung hinauslaufen müsse. Stark sollte nach Ansicht des SPD-Politikers auch der DGB sein. »Deutschland braucht starke Gewerkschaften. Ich bin froh, dass ich selbst Gewerkschafter bin«, schließt Woidke ab. »Glück auf!«

Es geht aber nicht nur um Parteipolitik, sondern auch um klassische Gewerkschaftsthemen. Beispiel: die Gehälter. 190.000 Beschäftigte in Berlin und 100.000 in Brandenburg haben von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns profitiert. Aber 8,84 Euro pro Stunde seien noch zu wenig, heißt es. Auch wenn die Arbeitslosenquote in Berlin enorm gesunken sei, auch wenn sich die soziale Lage in Brandenburg wesentlich verbessert habe, um Tariflöhne müsse noch sehr gerungen werden, heißt es. So sei das Kongresshotel Potsdam nicht tarifgebunden, kritisiert ein Vertreter der zuständigen Gewerkschaft NGG. Da wolle er dem DGB aber keinen Vorwurf machen, diesen Tagungsort gewählt zu haben. »Wir finden ja nichts anderes mehr.« Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) fragt, wenn er Unternehmen besucht, immer nach dem Tarif und ob es einen Betriebsrat gibt, mit dem er sprechen kann. Damit sie sich ein Beispiel daran nehme, platzierte der DGB Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) neben Gerber. Die Grünen haben im DGB noch weniger Einfluss als die LINKE. Sie bemühen sich aber auch weniger darum.

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