nd-aktuell.de / 24.01.2018 / Kultur / Seite 12

Stars ohne Allüren

Die Kammermusikreihe Spectrum Concerts wird 30

Antje Rößler

Ein solcher Anlass würde anderswo zu ausgedehnten Grußworten führen. Doch Frank Dodge, der vor 30 Jahren die Reihe Spectrum Concerts gründete, sagt vor dem Jubiläumskonzert nur einen Satz: »Um 20 Uhr wollen die Musiker spielen und die Besucher Musik hören.« Die Musik, nicht der Interpret, steht im Vordergrund.

1988 traten die Spectrum Concerts erstmals an die West-Berliner Öffentlichkeit. Dort setzten sie Akzente, indem sie klassische und zeitgenössische Musik in ihren Programmen vereinten. Gründer Frank Dodge, von Hause aus Cellist, stammt aus Boston. Er zog 1982 an die Spree, um bei den Berliner Philharmonikern zu spielen. In seinem offen besetzten Kammermusik-Ensemble vereinte er bekannte Solisten und vielversprechende Nachwuchstalente. Von Beginn an stand bei Spectrum der transatlantische Gedanke im Vordergrund: Aufgeführt wurden Werke NS-verfolgter Künstler, die in die USA geflohen waren.

Heute besteht das Ensemble aus rund 20 kammermusikliebenden Künstlern, die auch als Solisten erfolgreich sind. So musizierten beim Jubiläumskonzert im Kammermusiksaal der Philharmonie am Montag der vielfach preisgekrönte russische Geiger Boris Brovtsyn, der Bratsche spielende Dirigent Maxim Rysanov oder Jens Peter Maintz, einst langjähriger Solocellist des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.

In das späte Klarinettenquintett von Johannes Brahms brachten die fünf Künstlerpersönlichkeiten ihren individuellen Klang ein. In Sachen Feinabstimmung blieben sie nicht hinter einem festen Ensemble zurück. Der junge Klarinettist Thorsten Johanns ließ in Bezug auf dynamische Flexibilität, Weichheit und Klangschönheit in sämtlichen Registern keine Wünsche offen. Nach der Pause fand Béla Bartóks Klavierquintett eine furiose, spannungsreiche Interpretation. Am Ende entfaltete das Stück bei Zigeuner-Tonleitern und Csardas-Rhythmen eine geradezu körperliche Wucht. Das Publikum johlte wie im Pop-Konzert.

Seit ihrer Gründung haben die Spectrum Concerts, auch bei zwei American Music Weeks, zahlreiche zeitgenössische Komponisten in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Besonders intensiv widmet man sich dem 2001 verstorbenen amerikanischen Komponisten Robert Helps, der gleichsam die transatlantische Spectrum-Philosophie verkörperte: In seiner Heimat stand er in engem Kontakt mit europäischen Komponisten und setzte sich für deren Aufführungen ein. Bereits beim allerersten Spectrum-Konzert, am 22. Januar 1988, erklang Robert Helps’ »Nocturne für Streichquartett« aus dem Jahre 1960. Das sirrende, flirrende Nachtstück eröffnete nun auch das Jubiläumskonzert, wo die vier Streicher dem komplexen atonalen Satz großen sinnlichen Wohlklang entlockten.

Als in der Ära George W. Bush viele amerikanische Orchester und Kulturinstitutionen finanziell strauchelten, gründete Frank Dodge einen Ableger, der in New York und Los Angeles gastierte. Nach wie vor setzen die Spectrum-Künstler auf Musik als Mittel der Verständigung - unabhängig von den derzeit angekratzten politischen Beziehungen zu den USA.