Eine explizit politische Haltung

Die Science-Fiction-Ikone Ursula K. Le Guin ist im Alter von 88 Jahren verstorben

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Tod Ursula K. Le Guins ist eine der bedeutendsten Stimmen der Science-Fiction-Literatur des 20. Jahrhunderts verstummt. Le Guin, 1929 in Berkley geboren, wurde 88 Jahre alt und ist nach Angaben ihrer Familie am 22. Januar in Portland, wo sie die letzten Jahrzehnte lebte, verstorben. In den letzten Monaten soll sie unter gesundheitlichen Problemen gelitten haben.

Noch vor vier Jahren begeisterte Ursula Le Guin bei der Verleihung des National Book Awards mit einer pointierten Rede das globale Feuilleton. Die streitlustige alte Dame kritisierte dabei das immer stärker werdende profitorientierte Handeln vieler Verleger und merkte an, dass die kapitalistischen Spielregeln auch außer Kraft gesetzt werden könnten. »Gegen jede menschliche Macht kann es Widerstand geben, und sie kann von Menschen verändert werden. Widerstand und Veränderung nehmen oft ihren Anfang in der Kunst.«

Diese explizit politische Haltung war typisch für ihr Schreiben. Le Guins wohl bekanntester Roman »Planet der Habenichtse« (kürzlich in einer überarbeiteten Übersetzung neu aufgelegt unter dem Titel »Freie Geister«) ist eine der wenigen detailliert ausgemalten anarchistischen Utopien der Weltliteratur und gilt als einer der wichtigsten Klassiker der Science-Fiction.

Le Guin war mit ihrem Schreiben sehr erfolgreich und räumte alle Preise der Branche ab, unter anderem den Nebula- und den Hugo-Award ab, sogar jeweils mehrfach. Sie wirkte aber auch über das Feld der Science-Fiction hinaus. Die in »Planet der Habenichtse« erfundene handlungstragende Technologie, die eine Kommunikation in Echtzeit über Lichtjahre hinweg ermöglicht, der sogenannte Ansible, ist auch Namensgeber für ein Open-Source-Automatisierungs-Werkzeug von 2012, dessen Logo an ein Anarchie-Zeichen erinnert. Ursula Le Guin veröffentlichte über 20 Romane, darunter auch die Fantasy-Serie »Earth-Saga«, in der schon lange vor Harry Potter ein Zauberlehrling in einer fantastischen Welt gegen böse Mächte kämpft. Stilbildend für die Science-Fiction-Literatur wurden mehrere Romane ihres sogenannten Hainish-Zyklus, zu dem auch der oben genannte Roman »Planet der Habenichtse« zählt. Darin entwirft sie einen komplexen Kosmos miteinander in Verbindung stehender Welten. 1969 legte sie mit »Die linke Hand der Finsternis« einen Roman vor, der als einer der ersten feministischen Science-Fiction-Romane der (Post-)1968-Bewegung gilt. Es folgte eine ganze Welle feministischer und libertärerer Science-Fiction-Erzählungen als Teil der literarischen Gegenkultur aus den USA von Autorinnen wie Marge Piercy, Joanna Russ und Octavia Butler.

Der Abschluss des Hainish-Zyklus, die Novelle »Das Wort für Welt ist Wald« von 1972, liest sich wie eine Mischung aus James Camerons »Avatar« und George Lucas’ Waldmond Endor aus »Rückkehr der Jedi-Ritter« von 1983 und dürfte die beiden ökonomisch so erfolgreichen Filmemacher zu ihren Drehbüchern mehr als nur ein bisschen inspiriert haben. Wobei es kaum Filmadaptionen von Le Guins literarischem Werk gibt, auch wenn »Die linke Hand der Finsternis« sowohl in den 1990ern als auch zuletzt 2013 immerhin im Theater inszeniert wurde.

Hollywood hat sich bisher keines ihrer Stoffe angenommen, aber auch die Romane anderer feministischer Science-Fiction-Autorinnen wurden kaum verfilmt, obwohl viele dieser Titel zum Kanon der Sci-Fi-Literatur im 20. Jahrhundert zählen und nicht nur von Linksradikalen auf der Suche nach literarischen Utopien gelesen werden.

Ursula Le Guins meist gar nicht so umfangreiche Romane zeichnen sich durch stilistische Prägnanz und dramaturgische Klarheit aus. Auch wenn sie in den vergangenen Jahren kaum mehr publizierte, wird Ursula Le Guin in der Science-Fiction-Literatur fehlen. Ihre Romane werden aber sicher noch gelesen werden und weiter Einfluss auf nachkommende Sci-Fi-Autoren haben.

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