nd-aktuell.de / 27.01.2018 / Wissen / Seite 29

»Die Landwirtschaft bedroht viele Fledermäuse«

Der Fledermaus-Experte Sebastian Kolberg im Interview über Bedrohungen für die Tiere und was zu tun ist, wenn mal eine in der Küche auftaucht

Felix Trochowski

Wie viele Fledermäuse leben in Deutschland und in viele Arten werden sie unterteilt?

Die erste Frage kann ich leider nicht beantworten. Das liegt daran, dass es kein bundesweites Monitoring für Feldermäuse gibt. 25 Arten sind bei uns heimisch, eine Art gilt in Deutschland als ausgestorben, das heißt also, wir haben 24 Arten in Deutschland, von denen man weiß, dass sie vorkommen. Manche sind vom Aussterben bedroht, viele sind gefährdet oder stark gefährdet.

Wie und wo leben die Fledermäuse und wovon ernähren sie sich?

Gebäude bewohnende Fledermausarten nutzen Ritzen, Mauerspalten, Lüftungsschlitze, quetschen sich zwischen Ziegel oder haben ihre Kolonien in Dachstühlen. Die Wald bewohnenden Fledermausarten nutzen Baumbestände nicht nur als Jagdhabitat, sondern auch als Lebensraum. Fledermäuse weltweit besetzen so ziemlich jede Nahrungsnische. Vom Insektenfresser über Nektar- oder fruchtfressende Fledermäuse, Fledermäuse, die Fische fressen, Fledermäuse, die andere Fledermäuse fressen, bis hin zu blutfressenden Fledermäusen. In Europa bzw. in Deutschland haben wir aber ausschließlich insektenfressende Fledermäuse.

Welchen Bedrohungen ist die Fledermaus in der Natur ausgesetzt?

In der Natur haben die Tiere eigentlich wenig Probleme. Es gibt wenig Nachträuber, die den Fledermäusen gefährlich werden können. Eine Art sind natürlich Eulen, aber auch da ist die Gefahr eher gering.

Wie bedroht der Mensch die Fledermaus konkret?

Grundsätzlich sind Lebensräume von Fledermäusen nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Das wird aber häufig, zum Teil auch unbedacht, übersehen. Gerade im Zuge der Gebäudesanierung werden viele Zugänge zu Quartieren einfach dicht gemacht. Zweiter Punkt ist die Intensivierung der Landwirtschaft und der massive Einsatz von Pestiziden. Als letzter Punkt steht da noch die Windkraft. Wenn sie nicht naturschutzfachlich geplant ist, können Fledermäuse mit den Rotorblättern der Windkrafträder zusammen stoßen. Ein weiteres Problem entsteht durch den schnellen Luftdruckwechsel. Die Körper von Fledermäusen sind sehr leicht gebaut. Sie können dadurch innere Verletzungen erleiden, was dann auch zum Tod führen kann.

Wie kann man Fledermäusen helfen?

Um die Fledermäuse zu schützen, ist einmal die Öffentlichkeitsarbeit sehr wichtig, um den Leuten wichtige Informationen an die Hand zu geben. Zweitens dann natürlich die Forschung. Wir können flächendeckend nicht sagen, wie es den Fledermausbeständen geht.

Wie verhält man sich richtig, wenn man eine Fledermaus zum Beispiel in seiner Küche oder im Wohnzimmer findet?

Man wartet bis zur Dämmerung, macht das Fenster auf, Licht aus, Tür zu. Wenn das Tier ausgeflogen ist, sollte man danach das Fenster verschließen und es die nächsten Tage auch nicht mehr aufmachen. Bei der Rückkehr von der Jagd wird das Tier merken, dass der Zugang verschlossen ist. Möglicherweise versuchen die Tiere es am nächsten und übernächsten Tag noch mal an der gleichen Stelle. Fledermäuse sind sehr ortstreu. Muss man im Zweifelsfall einmal das Tier anfassen, zum Beispiel zum Verbringen nach draußen oder in ein Übergangsbehältnis, sollte man sich auf jeden Fall schützen. Die Tiere können versuchen, sich zu verteidigen - eine natürliche Reaktion. Lederhandschuhe oder ein Küchenhandtuch sind dabei sehr hilfreich. Fledermäuse sind Wildtiere. Als solche können sie Krankheiten übertragen. Zu erwähnen ist hier die Tollwut. Sie kommt sehr selten vor. Sollte es aber einmal durch anfassen zu einem Biss kommen, muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Eine sofortige nachträgliche Impfung bietet aber vollständigen Schutz. Vorsicht ist hier besser als Nachsicht. Wenn man jedoch nicht in der Fledermausforschung oder im Fledermausschutz aktiv tätig ist, hat man auch nichts zu befürchten. Fledermäuse sind faszinierende Tiere und überaus friedlich.