nd-aktuell.de / 31.01.2018 / Brandenburg / Seite 10

Omas Häuschen ist in Gefahr

Die Kosten für die Pflege steigen und bei Hartz IV spüren die Kommunen keine Entlastung

Wilfried Neiße

SPD und LINKE wollen die Kosten dämpfen, die pflegebedürftige Menschen oder ihre Angehörigen zu tragen haben. Unter der Überschrift »Faire und angemessene Kostenverteilung in der Pflege erreichen« fordern beide Fraktionen die rot-rote Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu starten. Wie die SPD-Landtagsabgeordnete Silvia Lehmann am Dienstag mitteilte, geht es darum, »zu verhindern, dass Kostensteigerungen nur durch die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Sozialhilfeträger zu tragen sind«. Lehmann sprach sich dafür aus, einen Teil der Pflegekosten aus Steuermitteln zu finanzieren.

Aktuell wurde das Problem, weil in einem neuen Tarifvertrag der Arbeiterwohlfahrt mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di beträchtliche Gehaltssteigerungen für Pflegefachkräfte vereinbart worden sind. Dadurch erhöhen sich in den betroffenen Seniorenheimen die Kosten pro Bewohner um bis zu 500 Euro im Monat. Lehmann zufolge zeichnen sich Auswirkungen auf alle Pflegeheime ab. Denn die Konkurrenz muss reagieren, wenn sie neue Beschäftigte finden möchte und das bisherige Personal nicht an die nun besser bezahlende Arbeiterwohlfahrt verlieren will.

Vor diesem Hintergrund müsse man »das System Pflege neu diskutieren«, meinte Lehmann. Sie forderte eine ehrliche Debatte darüber: »Wer soll das bezahlen?« Die alten Menschen und ihre Angehörigen können es in der Regel nicht. Es sei schwer erträglich, dass Menschen nach 45 Arbeitsjahren ans Sozialamt verwiesen werden, sagte Lehmann. Die sogenannte Hilfe zur Pflege könne es doch nicht sein. Diese Hilfe wird erst dann gezahlt, wenn der Pflegebedürftige keine Vermögenswerte mehr besitzt und auch die Angehörigen nicht in der Lage sind, die Kosten zu übernehmen. »Omas Häuschen ist in Gefahr«, bestätigte Lehmann. Bei den Gesprächen über eine große Koalition auf Bundesebene werde aber diskutiert, einen Freibetrag von 100 000 Euro einzuführen, tröstete sie. Das würde die Spannungen deutlich verringern.

Linksfraktionschef Ralf Christoffers erläuterte, dass die Hilfen zur Pflege in Brandenburg inzwischen ein Volumen von 55 Millionen Euro im Jahr erreicht haben. 85 Prozent der Summe übernimmt das Land, den Rest müssen die Kommunen geben. Nicht zuletzt deswegen seien die Sozialausgaben der Kommunen in Brandenburg »unverändert hoch«, sagte Christoffers.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes sollte unter anderem die Kommunen von Sozialausgaben entlasten. Intention war, Firmen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Beschäftigten schäbig zu entlohnen und sie als sogenannte Aufstocker zum Amt zu schicken, wo sie um Stütze nachsuchen müssen, weil ihr Einkommen zum Leben nicht ausreicht. Auch hat die Arbeitslosenquote deutlich abgenommen, sodass eine Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben zu erwarten gewesen wäre. Nun aber steigen die finanziellen Belastungen durch die Pflege. Christoffers zufolge haben sich die »extrem hohen Kosten bei Hartz-IV-Empfängern nicht verringert«. Höhere Kosten ergeben sich auch durch die Kita-Betreuung. Berechnet seien die Zuschüsse des Landes für eine Betreuungszeit von sechs bis sieben Stunden täglich, die »Lebenswirklichkeit in Brandenburg« erfordere aber nicht selten die Betreuung zehn Stunden lang, wenn die Eltern in Vollzeit arbeiten und früh beziehungsweise nach Feierabend noch den Weg zwischen Arbeitsstelle und Kita zurücklegen müssen.

Geradezu explosionsartig erhöhen sich auch die Unterhaltsvorschüsse. Laut Nachtragshaushalt 2018 waren dafür ursprünglich 39 Millionen Euro vorgesehen. Die Summe steigt aber auf 84 Millionen Euro. Wenn getrennt lebende Väter oder auch Mütter die Alimente nicht zahlen, springt zeitweilig der Staat ein. Die Ex-Partner, bei denen die Kinder leben, können diesen Unterhaltsvorschuss innerhalb der ersten zwölf Lebensjahre des Kindes sechs Jahre lang beantragen. Das Land legt das Geld zwar nur aus und ist bemüht, die gezahlten Summen einzutreiben. Das gelinge jedoch »nicht in jedem Fall«, sagte Christoffers.