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Pyeongchang vor großen Problemen

IOC-Präsident Thomas Bach ist in Südkorea angekommen. Einen neuen Dopingskandal lächelt er einfach weg

Thomas Bach machte am Dienstag eine kleine olympische Zeitreise. Mit dem Flugzeug ging es für den Präsidenten des Olympischen Komitees (IOC) nach Seoul. In der Olympiastadt von 1988 wurde er von Lee Hee Beom begrüßt. Zusammen mit dem südkoreanischen Organisationschef der Winterspiele 2018 fuhr Bach dann die letzten 130 Kilometer mit dem Zug nach Pyeongchang. Themen und Stimmung dieser Fahrt wurden nicht öffentlich. Nach der Ankunft lief jedenfalls alles wieder nach olympischem Protokoll: Lächeln und loben. »Es ist eine große Freude, endlich hier zu sein. Die Bühne ist bereitet, und wir freuen uns mit hohen Erwartungen auf großen Sport«, sagte Bach.

Mit seiner Ankunft läutete der IOC-Präsident zehn Tage vor Beginn der XXIII. Winterspiele die ganz heiße Phase der Vorbereitung ein. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Denn bereits vorhandene Probleme sind noch nicht gelöst. So wurde beispielsweise über die Klagen der 43 lebenslang von Olympia verbannten russischen Sportler vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) noch immer nicht entschieden. Immerhin hat der CAS am Dienstag zwei vorübergehende Büros in Pyeongchang eröffnet, um mögliche neue Rechtsstreitigkeiten direkt vor Ort zu lösen. Brisant bleiben auch die politischen Spannungen zwischen Nord- und Südkorea. Am Dienstag sagte Nordkorea eine geplante gemeinsame Kulturveranstaltung ab, die am 4. Februar im Kumgang-Gebirge an der Ostküste des Landes hätte stattfinden sollen. Zudem halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass Nordkorea für den 8. Februar - einen Tag vor der Eröffnung der Winterspiele - eine große Militärparade plant.

Spätestens seit Montagabend sind schwerwiegende Probleme hinzugekommen. Mit einer neuer Fernsehdokumentation hat die ARD-Dopingredaktion einen weiteren Skandal öffentlich gemacht. So wurde unter anderem bewiesen, dass versiegelte Dopingkontrollbehälter, die auch in Pyeongchang benutzt werden sollen, problemlos geöffnet und wieder geschlossen werden können, ohne nachweisbare Spuren zu hinterlassen. Weil genau dies unter Koordination des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB vor vier Jahren in Sotschi vielfach geschehen sein soll, wurden erst im vergangenen September neue Testflaschen eingeführt.

»Immer dann, wenn Medien Dinge öffentlich machen, reagiert der Sport«, kritisierte Hajo Seppelt von der ARD-Dopingredaktion den angeblichen Antidopingkampf. Tatsächlich verschickte die Welt-Antidoping-Agentur (WADA) erst am Sonntag eine Pressemitteilung dazu. Informiert wurde die WADA über das Problem aber schon am 19. Januar durch das Analyselabor in Köln. Dessen Leiter Mario Thevis meint nun, dass es »Notfallpläne« gibt, um »die Integrität von Urinproben zu sichern«. Dafür sei es aber jetzt noch »zu früh«.

Einen Lösungsansatz bietet bislang niemand. Das IOC ist zwar »sehr besorgt«, reicht die Verantwortung aber weiter. »Wir sind zuversichtlich, dass sich die WADA mit allen Problemen vollständig befassen wird«, so ein IOC-Sprecher. Was sagt die Welt-Antidoping-Agentur dazu? »Die Verantwortung für das Problem liegt bei der Schweizer Firma Berlinger, wo die Kontrollbehälter hergestellt werden.«

Diese unbefriedigende Kommunikationskette endet in Ganterschwil - aus dem Hause Berlinger gibt es bislang keinen Kommentar. Kein Wunder. Denn wie am Dienstag bekannt wurde, sind die Dopingprobenbehälter nicht nur leicht zu öffnen, sondern auch relativ leicht zu fälschen. So berichtet es das Schweizer Onlinemagazin »Republik«. Demnach wurde die Kopie eines Berlinger-Fläschchens im Internet bestellt, die notwendigen Etiketten kopiert und dann einem europäischen Dopingkontrolllabor übergeben. »Ich habe nicht erkennen können, was Original und was Fälschung ist. Das würde nicht auffallen«, erklärte danach ein Labormitarbeiter. Weitere Tests in anderen Laboren führten zum selben Ergebnis.

Für Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, ist all das eine »Einladung zur Manipulation«. Die Folgen könnten tatsächlich enorm sein. In der Vergangenheit verhängte Dopingstrafen müssten nach einer möglichen Klageflut vielleicht zurückgenommen werden. Aus der Sicht von Michael Lehner, Jurist und Sportrechtsexperte, ist »das Dopingkontrollsystem am Ende«. Denn nun müssten nicht mehr die Sportler ihre Unschuld beweisen, sondern die Verbände, dass die Flaschen nicht manipuliert wurden. Für Pyeongchang empfiehlt er den Sportlern, zur Dopingkontrolle zu gehen, aber »auf dem Formular zu vermerken, dass sie den Test nur unter Vorbehalt durchführen«.

Was macht eigentlich Thomas Bach? In Pyeongchang versucht er erst mal, alle Probleme einfach wegzulächeln. Glaubt man Claudia Bokel, ist sein Unrechtsbewusstsein eh nicht besonders ausgeprägt. Seit 2016 ist die 44-Jährige Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes. Bis 2016 war sie als Athletensprecherin Mitglied im Exekutivkomitee des IOC und unter anderem mit der abschließenden Prüfung der Starterlaubnis für russische Sportler vor den Sommerspielen in Rio beauftragt. »Eine Debatte über einen Olympiabann ist unerwünscht gewesen«, berichtet Bokel rückblickend über die Atmosphäre im engsten olympischen Machtzirkel unter Präsident Bach. »In der Exekutive durfte das nicht diskutiert werden.« Über mögliche Konsequenzen auch nicht.

Eine ähnliche Vorgehensweise vermutet Lehner jetzt auch: »Ich sage mal voraus, dass es in Pyeongchang so gut wie keine positiven Dopingtests geben wird.« Am Wochenende kommt das Exekutivkomitee des IOC zu einer zweitägigen Sitzung zusammen. Bis dahin kann noch viel passieren.

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