nd-aktuell.de / 06.02.2018 / Politik / Seite 5

Schulz: Ende des Spardiktats

SPD-Chef wirbt bei seiner Partei mit den Vereinbarungen zur Europapolitik

Uwe Kalbe

»Ich bin zuversichtlich, habe aber meinen Flug wieder geschoben auf morgen.« Die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner, die mit diesen Worten von dpa zitiert wurde, scheint reichlich optimistisch an die Koalitionsverhandlungen herangegangen zu sein, wenn sie ihren Flug zunächst am Montag gebucht hatte. Dass die Verhandlungen im Willy-Brandt-Haus der SPD in Berlin auch am Montag eng werden dürften, konnte eigentlich niemanden überraschen.

Wie ebenfalls zu erwarten war, ging es zuletzt noch um jene Streitpunkte, die der SPD-Verhandlungsgruppe vom jüngsten Parteitag wie ein Mühlstein um den Hals gehängt worden waren und von denen abhängen dürfte, ob der Koalitionsvertrag von rund 200 Seiten vom Parteivolk als ausreichend sozialdemokratisch gefärbt akzeptiert wird, wenn es in einigen Wochen in einer Mitgliederbefragung darüber entscheiden soll. Weiterhin ging es deshalb bei den Verhandlungen um das Streitthema Gesundheit, wo die SPD eine Angleichung der Arzthonorare von Privat- und Kassenpatienten forderte. Und zweitens um die von der SPD verlangte Eindämmung befristeter Arbeitsverhältnisse.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte dazu, dass der öffentliche Dienst »erst einmal Vorbild« beim Ende von sachgrundlosen Befristungen sein müsse, »ehe er das von anderen verlangt«. Und Klöckner bekräftigte die Ablehnung der Union gegen solche »Einheitszwangsmaßnahmen, die am Ende für alle teurer aber im Inhalt nicht besser werden«. Reden könne man allerdings darüber, ob Versorgungslücken im ländlichen Raum durch eine Anhebung der Arzthonorare geschlossen werden könnten. Außerdem sei die Union gesprächsbereit bei Maßnahmen, mit denen bei gesetzlich Versicherten die Wartezeiten auf einen Facharzttermin verkürzt werden können.

Immerhin abschließen konnten CDU, CSU und SPD am Montag das Europakapitel. Die Pläne sähen mehr Investitionen, einen Investitionshaushalt für die Eurozone und »ein Ende des Spardiktats« vor, teilte SPD-Chef Martin Schulz mit. Außerdem sollen mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt werden sowie eine »gerechte Besteuerung« von Internetgiganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon in Europa erreicht werden. Das Teilergebnis zu Europa umfasst den Angaben zufolge auch eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte in der EU und einen »Sozialpakt für Europa«. Das Europäische Parlament soll gestärkt und eine »breite Bürgerbeteiligung« an der EU-Reformdebatte ermöglicht werden.

Schulz appellierte an seine Partei, eine Große Koalition als Chance für die Europapolitik zu betrachten. »Wir haben jetzt eine echte Chance, zusammen gerade auch mit Frankreich, Europa demokratischer, sozialer und handlungsfähiger zu machen«, schrieb Schulz am Montag in einem Messenger-Infodienst der SPD an die Parteimitglieder. Das sei im Interesse der Bürger Deutschlands und aller Europäer. »Dieses Projekt ist mir ein Herzensanliegen«, schrieb Schulz weiter. »Ich würde mir sehr wünschen, dass wir diese Chance jetzt auch nutzen.«

Unterdessen geht die Debatte über die künftige Rolle von Martin Schulz ungebremst weiter. Mehrere Mitglieder äußerten öffentlich ihre Bedenken dagegen, dass Schulz ein Ministeramt übernimmt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer forderte die Parteispitze auf, die Namen möglicher Minister aus den Reihen der SPD rasch offenzulegen. Der frühere Fraktionsvize sagte der »Welt«, in der Partei sei das Bedürfnis an Transparenz sehr groß. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler dagegen betonte gegenüber der Zeitung: »Unsere Mitglieder wählen nicht «Germanys Next Top Minister», sondern entscheiden über sozialdemokratische Inhalte.«

CDU, CSU und SPD waren am Montag eigentlich zu ihrer Schlussrunde bei den Koalitionsverhandlungen zusammengekommen. Zu rechnen war gleichwohl damit, dass es erst am Dienstag zu einem endgültigen Abschluss kommen würde.Im Falle einer Einigung haben die SPD-Mitglieder dann noch das letzte Wort. Nur wenn sie in einem Mitgliederentscheid mehrheitlich einem Koalitionsvertrag ihre Zustimmung geben, kann die Große Koalition zustandekommen. Mit Agenturen