nd-aktuell.de / 07.02.2018 / Politik / Seite 11

Auf Tuchfühlung im »Sachsengespräch«

CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sucht bei aufmüpfigen Erzgebirglern den direkten Kontakt

Aue. Bei seinem ersten »Sachsengespräch« am Montagabend hat sich der neue Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) im erzgebirgischen Aue zahlreichen Fragen von Bürgern gestellt. Gemeinsam mit fünf Ministern ging er rund zwei Stunden lang im direkten Gespräch auf Themen wie Bildung, Breitbandausbau, Integration oder Energiepolitik ein. Er wolle ein Ministerpräsident zum Anfassen sein und die kommenden eineinhalb Jahre bis zur nächsten Landtagswahl nutzen, um etwas zu bewegen, sagte Kretschmer. Im November hatten 21 - zumeist parteilose - Bürgermeister aus der Erzgebirgsregion ein Positionspapier veröffentlicht, im dem besonders die Sparpolitik der CDU-geführten Landesregierung im ländlichen Raum scharf kritisiert wurde. Der CDU-Oberbürgermeister von Aue, Heinrich Kohl, gehörte nicht zu den Unterzeichnern. In dem Papier heißt es unter anderem: »Die Landespolitik geht immer mehr an den Bedürfnissen und Anforderungen der kreisangehörigen Kommunen, vor allem im ländlichen Raum, vorbei. Es kann nicht sein, den Menschen vor Ort in Zeiten von Rekord-Steuereinnahmen Kürzungen und Leistungseinschränkungen vermitteln zu müssen.«

Regierungschef Kretschmer nahm beim Treffen im Kulturhaus von Aue nicht auf einem Podium, sondern an einem Tisch mit Bürgern Platz. Bereits nach wenigen Minuten kam die Sprache auf AfD, Flüchtlinge und innere Sicherheit. Kretschmer zeigte hierbei Verständnis für die Sorgen und Skepsis der Bürger. Geltende Gesetze seien nicht verhandelbar, der Staat müsse bei Verstößen klare Kante zeigen. »Aber wir müssen auch diejenigen sein, die nicht alle über einen Kamm scheren«, mahnte er.

Auch Fragen rund um innere Sicherheit, Digitalisierung oder öffentlicher Nahverkehr bewegten die rund 550 Menschen, die sich laut Staatskanzlei an dem offenen Format beteiligten. Willkommen war demnach jeder - ohne Voranmeldung. Allerdings mussten alle Gäste handgeschriebene Namensschildchen tragen, um auf diese Weise nicht anonym bleiben zu können. Die Teilnehmer waren aufgeschlossen, störende Zwischenfälle gab es keine. Zuvor hatte Kretschmer zum Auftakt seiner Landkreis-Besuche den ganzen Tag lang das Erzgebirge bereist und war unter anderem mit Bürgermeistern aus der Region zusammengekommen. In dem zweistündigen Gespräch ging es auch um das Positionspapier der 21 parteiunabhängigen Gemeindechefs.

Nach dem Treffen sagte Rolf Schmidt, Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz, die ersten Ankündigungen der neuen Staatsregierung seien positiv, wenn auch nur bedingt nachhaltig. So sollen Städte und Gemeinden laut Kretschmer bis 2020 zusätzlich 90 Millionen Euro für ihre Aufgaben und Investitionen erhalten. Für größere Kommunen sei das allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagte Schmidt. dpa/nd