nd-aktuell.de / 14.02.2018 / Kultur / Seite 11

Dialektik der Geburtstage

Schon im Marx-Jahr bereitet Wuppertal sein großes Engels-Jubiläum 2020 vor

Frank Bretschneider, Wuppertal

Die Schwergewichte der marxistischen Theorie haben fast zeitgleich Jubiläum: In diesem Jahr feiert die Stadt Trier in Rheinland-Pfalz den 200. Geburtstag ihres berühmten Sohnes Karl Marx mit einer ganzen Reihe von Ausstellungen. In zwei Jahren geht es in Wuppertal in Nordrhein-Westfalen weiter, wenn der 200. Geburtstag von Marx’ Weggefährten Friedrich Engels ansteht. In der Bergischen Stadt beginnen dazu jetzt die Planungen.

»Wir setzen ihn nicht auf einen Sockel. Wir setzen uns kritisch mit ihm auseinander«, gibt der Betriebswirt und Mit-Kurator des Engels-Jahres, Rainer Lucas, die Richtung vor, wie sich die Stadt Wuppertal mit ihrem berühmten Sohn beschäftigen will. Bis zum Herbst soll feststehen, was genau die Stadt auf die Beine stellen will. Klar ist bereits: Es soll nicht nur Ausstellungen geben. Vielmehr soll die ganze Stadt mit ihrer langen Industriegeschichte in das Engels-Jahr eingebunden werden.

Engels und Wuppertal - das ist eine ganz besondere Beziehung, auch wenn es die Stadt zu Engels Zeiten genau genommen noch gar nicht gab. Sie wurde erst 1929 als Zusammenschluss der heutigen Stadtteile gegründet. Engels kam 1820 in Barmen als Sohn eines wohlhabenden Textilfabrikanten zur Welt. Damit gehörte er zum örtlichen Wirtschaftsadel in einer Zeit, in der die damals selbstständigen Städte Elberfeld und Barmen das Zentrum der europäischen Textilindustrie waren. Das Tal der Wupper war zugleich einer der wichtigsten Motoren der Industrialisierung in Deutschland.

Die wirtschaftliche Geschichte Wuppertals ist untrennbar mit Engels Werdegang und seiner ökonomischen Kritik verbunden. Der junge Engels konnte sich nicht mit den Bedingungen des damaligen Unternehmertums anfreunden. Während seiner Tätigkeit im väterlichen Zweiggeschäft im britischen Manchester erlebte er die menschenunwürdigen Lebensverhältnisse der englischen Industriearbeiter, die er in seiner Schrift »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« festhielt. Seine kommunistische Überzeugung wuchs. In der Schrift »Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie« skizzierte er die Rolle des Industrieproletariats beim Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft der Zukunft.

In Paris traf er 1844 erstmals mit Karl Marx zusammen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit verband, aus der der wissenschaftliche Sozialismus hervorging. Im gemeinsam verfassten »Kommunistischen Manifest« umrissen die beiden 1848 die Grundthesen des Marxismus und hoben besonders den Klassenkampf und die internationale Solidarität der Arbeiterschaft hervor.

Engels ließ seinem Freund Marx, der einen bürgerlichen Lebensstil durchaus zu schätzen wusste und häufig pleite war, regelmäßig Geld zukommen. Nach Marx’ Tod 1883 kümmerte sich Engels um die Herausgabe des zweiten und dritten Bandes des »Kapital«.

Einen »Engels’schen Esprit« möchte der Chef des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Uwe Schneidewind, zum Jubiläumsjahr in die Stadt holen. Das Engels-Jahr sei nämlich auch die Chance, die industriegeschichtliche Signatur der Stadt in der Außenwahrnehmung zu verankern. »Wir müssen Wuppertals historische Gebäudesubstanz mit einbeziehen«, ist auch Kulturdezernent Mathias Nocke überzeugt.

Vor diesem Hintergrund soll im Engels-Jahr auch Engels’ Geburtshaus in neuem Glanz erstrahlen und wird dafür derzeit saniert. Das Haus gehört zum historischen Zentrum, direkt nebenan ist das Museum für Frühindustrialisierung in zwei Industriebauten aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert untergebracht. Ein Glasbau soll in zwei Jahren beide Gebäudeteile miteinander verbinden.

Als Denkmal ist Engels nah am historischen Zentrum schon seit 2014 in Form einer überlebensgroßen Bronzestatue präsent. Sie zeigt einen ältlichen Engels, obwohl dieser nur als junger Mann in Barmen lebte und 1895 in London starb. Das Kunstwerk ist ein Geschenk aus China - jenem Land, das eine Symbiose aus Kapitalismus und kommunistischem Überbau aus der Taufe entwickelte. Die Statue hat Wuppertal einen Zuwachs an chinesischen Touristen gebracht, die die Stadt natürlich auch für das Engels-Jahr im Blick hat - aber nicht allein: »Wir werden hoffentlich viele Gäste haben, nicht nur aus China, sondern aus der ganzen Welt«, sagt Kurator Lucas. epd/nd