nd-aktuell.de / 14.02.2018 / Politik / Seite 1

Längstes Jahr wo gibt

Seit 365 Tagen ist der Reporter Deniz Yücel im türkischen Gefängnis

Berlin. Heute vor einem Jahr ging der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel in Istanbul zu einer Polizeiwache. Über die Presse hatte er erfahren, dass ein Haftbefehl gegen ihn verhängt worden war. Man nahm ihn fest, er musste 13 Tage in Polizeigewahrsam verbringen, anschließend kam er in Untersuchungshaft. Seitdem sitzt Deniz Yücel in der intellektuellen Hochburg der gegenwärtigen Türkei ein - der Haftanstalt Silivri bei Istanbul, wo zahlreiche weitere Journalisten, Akademiker, Intellektuelle, Anwälte, Richter und Politiker festgehalten werden. Die Vorwürfe ähneln sich meist. Auch Deniz Yücel wird »Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung« vorgeworfen. Was hat er getan? Seinen Job gemacht - als Korrespondent für die »Welt«, die ihn 2015 nach Istanbul geschickt hatte. Nicht nur Yücels Arbeitgeber, auch Freunde und ehemalige Kollegen von »taz« und »Jungle World«, seine Frau und Familie haben sich im vergangenen Jahr für seine Freiheit eingesetzt. Bislang vergebens.

Vergebens waren auch die Bemühungen der Bundesregierung. Was diese betrifft, hat Yücel in einem Interview deutlich gesagt, nicht im Rahmen eines Rüstungsdeals beispielsweise für die Firma Rheinmetall seine Freiheit zurückerlangen zu wollen. Er will einen fairen Prozess. Dass die Chancen darauf nicht eben günstig stehen bei »unabhängigste Justiz wo gibt«, wie Deniz Yücel sagen würde, erklärt im nd-Interview Evin Barış Altıntaş. Sie hat gemeinsam mit Yücels Anwalt Veysel Ok die Media and Law Studies Association gegründet, um die derzeit 155 in der Türkei inhaftierten Journalisten zu unterstützen. Natürlich werde es irgendwann auch ein »Morgen« am Bosporus geben, sagt Altıntaş. Wenn es so weit sei, brauche es Journalisten, die ihren Job gut machen. So wie Deniz Yücel. net Seiten 2, 3 und 6