nd-aktuell.de / 19.02.2018 / Politik / Seite 5

Am Abgrund - wie weiter?

Münchner Sicherheitskonferenz zeichnete ein überaus düsteres Bild von der Welt

René Heilig

2017 standen wir am Abgrund. So laute die Grundannahme der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz, meinte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zu Beginn seiner Rede vor rund 500 politisch potenten Zuhörern. Leider, so Gabriel weiter, verbiete die aktuelle Nachrichtenlage, dass man den Befund relativieren könne. »Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind derzeit anscheinend die knappsten Güter in der internationalen Politik.«

Diesen Grundelementen einer friedlichen Politik in der Welt sollte gerade die Konferenz in München Wege bahnen. Sie konnte es nicht. Zu tief sind die Divergenzen. Gabriel sprach Probleme an, die zu »massiven Verschiebungen in unserer Weltordnung, mit unabsehbaren Konsequenzen« führen. Die Ländernamen Korea, Syrien, Irak, Iran, Jemen fielen. Er zeigte sich besorgt, dass der Vertrag über das Verbot atomarer Mittelstreckenwaffen in Europa platzen könne. Doch Gabriel war zu zaghaft bei der Benennung der Ursachen. Kein Wunder: Deutschland ist Partei, nicht Vermittler. So nannte Gabriel den zunehmenden globalen Führungsanspruch Chinas, die Machtansprüche Russlands. Als er über »die Renaissance von Nationalismus und Protektionismus« sprach, blieben die Staaten unbenannt.

Was also tun? Erstens müsse man - laut Gabriel - dafür sorgen, dass »Europa stärker und handlungsfähiger wird«, und zweitens gelte es, »die Zusammenarbeit der beiden westlichen Akteure, der Vereinigten Staaten von Amerika und Europa, auf der Welt wieder zu stärken und zu verbessern«. Er sei der Überzeugung, dass »die Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten, Europa und anderen Nationen für die Aufrechterhaltung der Architektur der Freiheit am Ende der einzige erfolgversprechende Weg ist - für uns in Europa aber auch im Interesse der USA«. Ähnlich hatte sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die die Konferenz am Samstag eröffnet hatte, geäußert.

Wie sie betonte auch Gabriel die Rolle der Europäischen Gemeinschaft und zeigte zugleich, wie besorgt er über ihren Zustand ist: »Niemand sollte versuchen, die EU zu spalten - nicht Russland, nicht China, aber auch nicht die Vereinigten Staaten. Die Europäische Union ist ein durchaus selbstbewusster Partner, der vertrauensvoll und auf Augenhöhe mit den USA kooperieren will, aber eben nicht im Gefolgschaftsverband.«

Doch statt über den inneren Zustand der EU zu reden, schauten Vertreter aus verschiedenen Mitgliedsländern lieber nach außen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz beklagte, die USA zögen sich immer mehr von der internationalen Bühne zurück, dieses »Machtvakuum« werde von China gefüllt. Europa dürfe Peking nicht das Projekt einer »Neuen Seidenstraße« von China nach Europa und Afrika überlassen, bekräftigte Frankreichs Regierungschef Edouard Philippe.

Außenminister Sergej Lawrow dagegen sah die Schuld für die Verschlechterung der Weltlage beim Westen, weil dieser »keinen goldenen Mittelweg« zu einer Entwicklung »zum beiderseitigem Vorteil« gefunden habe. Putins Mann verurteilte die massive Ostausdehnung der NATO, betonte aber auch, seine Regierung sei weiterhin bereit für »einen offenen und von gegenseitigem Respekt geprägten Dialog mit der EU«.

Die Münchner Konferenz zeigte aber auch: Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist von wachsendem Misstrauen geprägt. Zur Sprache kamen mehrfach US-Vorwürfe über eine angebliche russische Einflussnahme auf den jüngsten US-Präsidentschaftswahlkampf, die Lawrow parierte: Solange »wir keine Fakten haben, ist alles nur Geschwätz«. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Herbert Raymond McMaster, der nach Lawrow in München eine Rede hielt, widersprach dem russischen Chefdiplomaten. Ohne Russland zu nennen, benannte er es als »revisionistische Macht«.

Am Sonntag stand das brandheiße Thema Naher Osten zur Debatte. Israel werde nicht zulassen, dass das iranische Regime eine permanente militärische Präsenz in Syrien aufbaue, sagte der israelische Premier Benjamin Netanjahu und hob ein Trümmerteil einer abgeschossenen iranischen Dohne hoch. Es folgte die Drohung: Im Notfall werde man nicht nur gegen Irans Verbündete vorgehen, sondern auch gegen Iran selbst.