nd-aktuell.de / 21.02.2018 / Politik / Seite 8

Guatemalas Pakt der Korrupten

Die UN-Kommission gegen die Straflosigkeit und das Justizministerium beißen sich am Establishment die Zähne aus

Knut Henkel

Kein Einzelfall: Die Richterin Judith Secaida ist dem Antrag des Justizministeriums (Ministerio Público) und der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG) nicht gefolgt. Folgerichtig ist der langjährige Bürgermeister von Guatemala-Stadt und Ex-Präsident Álvaro Arzú nach wie vor auf freiem Fuß. Dabei gilt Arzú wie so viele aus dem Establishment als korrupt. Aber der Politiker der harten Hand gehört in Guatemala zu den einflussreichsten politischen Figuren.

»Arzú steht für die Politik der Seilschaften, die von Korruption und Straflosigkeit profitieren und daran auch nichts ändern wollen«, so Michael Mörth, der in einer der wichtigsten Kanzleien des Landes als juristischer Berater arbeitet. Mörth hofft, dass die CICIG gegen den omnipräsenten Arzú alsbald ein neues Verfahren präsentieren wird, aber sicher ist das nicht. »Die Zahl der Alliierten der UN-Kommission ist rückläufig und die Seilschaften, ich spreche vom Pakt der Korrupten, sitzen an den Hebeln der Macht«, so Mörth wenig optimistisch.

Die Realitäten in Guatemala sind ernüchternd. So hat Präsident Jimmy Morales 50 000 Quetzales, umgerechnet rund 5500 Euro, monatlich aus dem Verteidigungsministerium erhalten, um die Verteidiger seines Bruders und seines Sohnes zu bezahlen, die sich wegen einer manipulierten Steuererklärung verantworten müssen. Konsequenzen hatte das bisher nicht. Derzeit macht Morales wieder Schlagzeilen, weil er nicht bereit ist, Sonnenbrillen, Massagen und auch Kleidung aus seinen privaten Mitteln zu begleichen, sondern die Rechnungen der Staatskasse schickt. Angesichts eines Gehalts von rund 20 000 US-Dollar, womit Morales zu den am besten bezahlten Regierungschefs Lateinamerikas gehört, für die Guatemalteken nicht nachzuvollziehen.

Guatemalas Justiz steht vor herben Rückschritten, denn das kongeniale Duo der Generalstaatsanwältin Thelma Aldana und des CICIG-Direktors Iván Velásquez wird im Mai dieses Jahres auseinanderfallen. Aldanas Amtszeit endet. Sie hatte mit Velásquez dafür gesorgt, dass das Justizministerium wieder etwas von der verloren gegangenen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen konnte. Prozesse wegen Korruption gegen den ehemaligen Staatschef Otto Pérez Molina stehen dafür genauso wie die Prozesse gegen Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen im Bürgerkrieg (1960-96). Doch all diese bahnbrechenden Prozesse sind derzeit aus unterschiedlichen Gründen auf Eis gelegt. Klar ist, dass die Regierung von Jimmy Morales, dessen Partei von Ex-Militärs gegründet wurde, keinerlei Interesse hat, die Unabhängigkeit der Justiz zu fördern, sondern hinter den Kulissen Allianzen gegen die Arbeit der UN-Kommission gegen Straflosigkeit (CICIG) und dessen kolumbianischen Chef Velásquez dient.

Velásquez’ weit reichendes Mandat beinhaltet die Aufdeckung der korrupten Seilschaften und die bisherigen Ermittlungsergebnisse sprechen dabei für sich. Doch de facto sieht sich Velásquez einer Front aus Politik und der ökonomischen Oligarchie gegenüber, die der Arbeit der CICIG fortwährend Knüppel zwischen die Beine werfen. Folgerichtig lassen Erfolge vor Gericht auf sich warten und wie tief die Korruption verwurzelt ist zeigt auch der Fall des Ex-Präsidenten Álvaro Colom und seines Finanzministers Juan Alberto Fuentes Knight, dem gerade zurückgetretenen Oxfam-Aufsichtsratschef. Beide hätten ihre Aufsichtspflicht nicht ernst genommen, sich zwar nicht selbst bereichert, dass aber durch ihr Verhalten ermöglicht, schreiben die Blätter in Guatemala-Stadt.