nd-aktuell.de / 23.02.2018 / Berlin / Seite 9

Saubere Luft für alle

UmweltaktivistInnen und AnwohnerInnen der Leipziger Straße demonstrieren gegen Lärm und Autoabgase

Marie Frank
Wer an der Leipziger Straße die Straße überquert, muss höllisch aufpassen, nicht von einem abbiegenden Auto erfasst zu werden – grüne Ampel hin oder her. Wem das unversehrt gelungen ist, der kann zwar vor Erleichterung ausatmen, das Einatmen birgt wiederum ebenfalls einige Risiken: »Wir haben in der Leipziger Straße Stickoxid-Messwerte, die bis zu 18 Mikrogramm pro Kubikmeter über den Grenzwerten liegen«, sagt Kerstin Doerenbruch, Sprecherin von Greenpeace Berlin. »Bereits ab zehn Mikrogramm steigt das Asthma-Risiko bei Kindern um 15 Prozent.« Auch die Gefahr eines Herzinfarktes erhöhe sich signifikant. »Die Politik muss da endlich handeln«, fordert sie.

Mit dieser Ansicht ist Doerenbruch nicht alleine. Am Donnerstagmittag blockierten rund 50 AnwohnerInnen und UmweltaktivistInnen die Kreuzung Leipziger Straße/Charlottenstraße. Für 15 Minuten ist zumindest ein kleiner Abschnitt der teilweise sechsspurigen Fahrbahn gesperrt. Trotz klirrender Kälte tragen Greenpeace-AktivistInnen beige Unterhemden mit einer aufgedruckten blauen Lunge und halten Schilder mit der Aufschrift »Luft ist Leben« in die Höhe.

»Im Endeffekt ist das hier eine Stadtautobahn«, meint Stefan Lehmkühler vom Netzwerk Fahrradfreundliche Mitte, das zusammen mit dem Verein Changing Cities zu der Protestaktion aufgerufen hat. Die rund 6500 AnwohnerInnen seien Tag und Nacht einer »unerträglichen Dauerbeschallung und Vergiftung durch Autoabgase« ausgesetzt. Die Kundgebung auf der Kreuzung sei nur der Auftakt vieler weiterer Aktionen, kündigt er an. Lehmkühler, Anwohner der Leipziger Straße, und seine MitstreiterInnen wollen so die Senatsverwaltung zum Handeln bewegen.

Große Hoffnungen setzt das Netzwerk Fahrradfreundliche Mitte in das Mobilitätsgesetz, das am Dienstag vom Senat beschlossen wurde und nun dem Abgeordnetenhaus zur Beratung vorliegt. Das Netzwerk hat selbst lange dafür gekämpft. Es ist lokaler Ableger der Initiative für einen Fahrradvolksentscheid, der an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt war. Das Mobilitätsgesetz soll Radfahrern zu mehr Rechten im Straßenverkehr verhelfen. Unter anderem sieht es für Hauptverkehrsstraßen geschützte, mindestens zwei Meter breite Radstreifen vor. Das wünscht sich Lehmkühler auch für die Leipziger Straße. »Wir wollen eine Kombination aus geschütztem Radweg an der Seite, einer Straßenbahntrasse und einer Fahrspur in der Mitte.«

Zeitgleich zur Protestaktion gegen die hohe Luftverschmutzung in Berlin verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten. Am Nachmittag vertagte das Gericht seine Entscheidung auf kommenden Dienstag. Für Lehmkühler spielt das nur eine untergeordnete Rolle. Zwar würden Diesel-Verbote durchaus etwas bringen, doch selbst wenn entschieden würde, dass Fahrverbote nicht zulässig sind, hieße das ja nicht, dass die Situation in der Leipziger Straße bleiben dürfe wie sie ist. »Unabhängig von dem Urteil muss hier etwas passieren.«