nd-aktuell.de / 28.02.2018 / Ratgeber / Seite 23

Überlassungsdauer 18 Monate

Seit April 2017 in Kraft: das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Stefan Bell

Nach dem seit April 2017 geltenden neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dürfen einzelne Leiharbeitnehmer nicht mehr als 18 Monate auf demselben Arbeitsplatz bei einem Entleiher arbeiten - grundsätzlich. Bei Überschreiten der neuen Überlassungshöchstdauer ist das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam. Kraft Gesetzes entsteht in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer.

Die Obergrenze spielt in der Praxis keine Rolle

Tarifverträge oder auch Betriebsvereinbarungen können jedoch Abweichungen vorsehen, die eventuell einen - gegenüber den 18 Monaten - deutlich längeren Einsatz von Leiharbeitnehmern ermöglichen. Sofern der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen enthält, können auch nicht tarifgebundene Einsatzunternehmen davon Gebrauch machen, allerdings nur bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten. Für tarifgebundene Einsatzunternehmen gilt diese zeitliche Grenze nicht.

Die für einzelne Leiharbeiter geltende Obergrenze von 18 Monaten spielt aber in der Praxis keine Rolle: Das AÜG verbietet nämlich nicht einen Austausch der Leiharbeiter auf demselben Arbeitsplatz. Es wird künftig wieder möglich sein, einen Arbeitsplatz dauerhaft mit wechselnden Arbeitnehmern zu besetzen.

Die Begrenzung auf 18 Monate bezieht sich nur auf einzelne Arbeitnehmer. Sie verbietet nicht, durch permanenten Austausch den Arbeitsplatz dauerhaft mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Dies ist nicht nur ein eklatanter Verstoß gegen EU-Recht, sondern auch für die Betroffenen eine deutliche Verschlechterung.

Eigentlich soll Leiharbeit nur »vorübergehend« erfolgen. Die- ser Grundsatz ist in der EU-Leiharbeitsrichtlinie verankert. Und die Rechtsprechung hatte in den letzten Jahren klargestellt, dass die Besetzung von Arbeitsplätzen beim Entleiher nur bei einem vorübergehenden Beschäftigungsbedarf zulässig und eine Besetzung von Dauerarbeitsplätzen untersagt sei. Ein Missbrauch - wie beim Schlecker-Skandal - war dadurch zuletzt ausgeschlossen. Durch das neue AÜG wird aber diese Schlecker-Praxis wieder legalisiert

Equal Pay erst nach neun Monaten?

»Equal Pay« bedeutet gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Diesen Grundsatz hat das neue AÜG jetzt gesetzlich verankert. Nach neun Monaten sollen Leiharbeitnehmer das gleiche Entgelt erhalten wie die Stammbelegschaft. Aber: Allenfalls ein Viertel der Leiharbeitnehmer arbeitet überhaupt länger als neun Monate, die restlichen drei Viertel werden somit vom Gleichstellungsgrundsatz ausgenommen.

Außerdem gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nach der EU-Leiharbeitsrichtlinie schon ab dem ersten Tag eines Einsatzes, danach hat der Leiharbeiter einen Anspruch auf die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen - einschließlich des Arbeitsentgelts. Und zwar ab dem ersten Tag, an dem der Leiharbeiter im Betrieb beschäftigt ist.

Die nun eingeführte Regelung für ein Equal Pay nach erst neun Monaten stellt deshalb eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem EU-Recht dar.

Leiharbeitnehmer zählen und wählen

Im neuen AÜG ist geregelt, dass Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb bei zahlreichen betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten mitzählen und damit Berücksichtigung im Betrieb des Entleihers finden (§ 14 Abs. 2 Satz 4 und 5 AÜG): Leiharbeitnehmer sind folglich im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), des Europäischen Betriebsrätegesetzes und der Mitbestimmungsgesetze mitzuzählen, wenn eine Norm eine bestimmte Beschäftigtenzahl voraussetzt. Das bezieht sich zum Beispiel auf die Schwellenwerte der §§ 9 und 38 BetrVG. Ausdrücklich ausgenommen sind die Schwellenwerte des § 112a BetrVG, der aber nur die Frage betrifft, ob eine Betriebsänderung in Form einer reinen Personalreduzierung sozialplanpflichtig ist.

Es geht darum, die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern nicht zum Nachteil der Stammbelegschaft wirken zu lassen. Bezöge man Leiharbeitnehmer auch bei der Berechnung nach § 112a BetrVG ein, so erhöhte sich dadurch nur der Bezugswert für die dort genannten Prozentzahlen. Dadurch könnte bei bestimmten Betriebsänderungen die Sozialplanpflicht entfallen.

Bei allen anderen Betriebsänderungen des § 111 BetrVG werden die Schwellenwerte (§ 17 Kündigungsschutzgesetz KSchG) von dieser Ausnahme jedoch nicht erfasst.

Das Fazit: Für Leiharbeitnehmer ergeben sich aus der Reform des AÜG keine spürbaren Verbesserungen. Die Zahl der Arbeitnehmer in solchen prekären Arbeitsverhältnissen wird durch die neuen Regelungen kaum reduziert. Auch eine bessere Bezahlung ist in weite Ferne gerückt. Die durch die Hartz-Gesetze eingeführten Regelungen zu Lasten von Stammbelegschaften werden eher verschlechtert als verbessert.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Bell & Windirsch, Britschgi & Koll Anwaltsbüro in Düsseldorf.