nd-aktuell.de / 28.02.2018 / Sport / Seite 19

»Die Fallhöhe steigt immer mehr«

Kristina Vogel könnte bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften in Apeldoorn zur erfolgreichsten Sprinterin der Geschichte werden

Ruben Stark, Apeldoorn

Kristina Vogel lächelt vor dem möglichen historischen Erfolg den Druck einfach weg - so, wie sie es immer macht. »Wenn ich Jahr für Jahr ein Mal Gold hole, wäre es toll, und das reicht dann ja auch irgendwann«, sagte die Erfurterin in ihrer gewohnt lockeren Art. Vogel hat sich einst ein gewaltiges Ziel gesteckt, sie würde gerne als erfolgreichste Bahnradsprinterin in die WM-Geschichte ihres Sports eingehen. Neun Mal war die 27-Jährige bereits Weltmeisterin, in den kommenden Tagen kann sie die elfmalige Titelträgerin Anna Meares aus Australien überflügeln. Bei den Weltmeisterschaften im niederländischen Apeldoorn braucht es dafür aber von Mittwoch bis Sonntag eine perfekte Ausbeute - drei Mal Gold.

Diese Aussicht ist ein Anreiz für ihre Starts im Teamsprint, Sprint und Keirin, aber nichts, weswegen die zweimalige Olympiasiegerin nervös wird. »Ich könnte, aber ich mache mir da keinen Druck«, sagte Vogel, die sich grundsätzlich drei Medaillen vorgenommen hat: »Ich bin auch keine Maschine.« Denn Vogel weiß, dass es ihr die Gegnerinnen von Jahr zu Jahr schwerer machen. Die ständige Rolle der Gejagten erfordert ein hohes Maß an mentaler Stabilität. Auch in dieser Saison war Vogel eine Klasse für sich, gewann jedes Weltcuprennen, bei dem sie startete. Seit dem WM-Halbfinale 2016 ist Vogel in ihrer Paradedisziplin Sprint unbesiegt. »Die Fallhöhe steigt immer mehr«, stellte Vogel fest.

An ihrer Verfassung soll es aber nicht scheitern, mit der ist sie genau so zufrieden wie mit der Zusammenarbeit mit ihrem neuen Heimtrainer Anner Miedema. Nach dem Weggang ihres langjährigen Coaches Tim Zühlke nach China ist zwar etwas Anpassungszeit nötig, aber »es ging mit Tim auch nicht von Jetzt auf Gleich«, wie Vogel sagte. Ihrer Konkurrenz hat die lebensfrohe Thüringerin so oder so noch einiges voraus: Sie hat ziemlich jede Rennsituation schon erlebt, die man sich vorstellen kann. Zu ihrem unvergessenen Olympiasieg in Rio fuhr Vogel gar ohne Sattel: »Die Geschichte erzähl’ ich immer noch, die hat dem Bahnradsport doch Bekanntheit gebracht.«

Auf dem neu verlegten Holzoval in Apeldoorn setzt Vogel besonders auf ihre »Raffinesse. Ich hoffe, dass ich von meiner taktischen Erfahrung profitieren kann.« Schließlich will sie auch in der eigenen Mannschaft zeigen, »wer die Ältere ist.« Denn hier wächst die Konkurrenz genauso heran. Besonders die 20-jährige Erfurterin Pauline Grabosch drängt nach. Sie soll neben Vogel und deren Dauerpartnerin Miriam Welte aus Kaiserslautern auch schon im Teamsprint zum Zug kommen.

»Pauline hat auch Ambitionen auf Medaillen und sie wird perspektivisch schneller werden Richtung Tokio«, betont Vogel. Sorgen macht sie sich aber auch deswegen nicht. Mit Blick auf Olympia 2020 »entstehen Möglichkeiten, die wir lange nicht hatten«, wie sie vielmehr sagt. Im Moment ist sie ohnehin noch der große Trumpf. »Wenn der Vogel fliegt, ist vielleicht noch mehr drin als 2017«, meint Sportdirektor Patrick Moster. Vor einem Jahr in Hongkong holte Vogel zwei Mal WM-Gold. SID/nd