nd-aktuell.de / 01.03.2018 / Politik / Seite 6

Bayerische Verhältnisse im Westen

In NRW werden die Befugnisse von Polizei und Geheimdienst ausgebaut

Sebastian Weiermann

Im Wahlkampf vor rund einem Jahr sprach der heutige CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, immer wieder über Bayern, das ein Vorbild sei. Laschet redete in den meisten Fällen über das Selbstbewusstsein des Bundeslandes und dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Mittlerweile wird klar, auch im Bereich der inneren Sicherheit ist Bayern das Vorbild für Nordrhein-Westfalen und Law-and-Order-Politik ist auf dem Vormarsch. Am Mittwoch wurden die Befugnisse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes im Landtag ausgeweitet. Bisherige Regelungen, etwa zur Telekommunikationsüberwachung, die bisher nur befristet waren, wurden in das Verfassungsschutzgesetz des Bundeslandes aufgenommen.

Hat das Verfassungsschutzgesetz noch verhältnismäßig geringe Auswirkungen, sieht es bei anderen Vorhaben der schwarz-gelben Regierung schon ganz anders aus. Vor zwei Wochen hatte der CDU-Innenminister Herbert Reul ein »Antiterrorpaket« vorgestellt, das helfen soll die Sicherheit im Land zu verbessern. Jetzt ist eine erste Fassung des Polizeigesetzes mit Reuls Antiterror-Änderungen veröffentlicht worden.

Künftig soll die nordrhein-westfälische Polizei einen eigenen Trojaner einsetzen dürfen, um verschlüsselte Chats zu überwachen. Zusätzlich soll die Videoüberwachung ausgedehnt werden. Auch will NRW künftig »Gefährder« bis zu einem Monat in präventive Haft nehmen können. Außerdem werden in dem Gesetzesentwurf Aufenthalts- und Kontaktverbote geregelt. Zur Abwehr von Gefahren soll es Menschen verboten werden, sich bestimmten Orten zu nähern oder sich mit speziellen Gruppen zu treffen. Dies alles soll der Terrorabwehr dienen.

Allerdings zeigten Gesetzesverschärfungen in der Vergangenheit immer wieder, dass wenn die Gesetze da sind, sie auch genutzt werden. Etwa Meldeauflagen, die als Anti-Hooligan-Gesetze Ende der 1990er Jahre beschlossen wurden und wenige Jahre später auch auf linke Demonstranten ausgeweitet wurden, die im Rahmen der Antiglobalisierungsproteste gegen Gipfel demonstrieren wollten. Auch Verena Schäffer, Innenpolitikerin der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag findet klare Worte zu den Plänen: »Mit dem neuen Polizeigesetz sollen Grundrechte geschliffen und die Befugnisse der Polizei im Vorfeld, also noch vor Eintreten von Straftaten, ausgeweitet werden. Dazu zählen unter anderem die auch unter IT-Sicherheitsexperten scharf kritisierte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die das Eindringen eines Trojaners auf dem Handy oder PC voraussetzt, um Online-Kommunikation auszulesen.«

Doch damit nicht genug. Anfang der Woche wurde ein internes Schreiben der NRW-Polizei bekannt, in dem diese ein neues »Leitbild« entwickeln will. Polizisten sollten »gewaltfähig« werden und »körperliche Robustheit, Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit« ausstrahlen. Im alten Leitbild wurde die Ansprache als wesentliches Einsatzmittel genannt. Verena Schäffer fällt dazu ein vernichtendes Urteil: »Die sogenannte NRW-Linie der Polizei, die Bürgernähe, Deeskalation und Kommunikation in den Vordergrund gestellt hat, soll durch ein martialischeres Auftreten der Polizei ersetzt werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass dies zu weniger Angriffen auf Polizeibeamte führt. Mit seinen Maßnahmen gefährdet der Innenminister auf Dauer das hohe Ansehen der Polizei in der Bevölkerung.«

Passend zum künftigen Leitbild verkündete Minister Reul am Dienstag auch gleich noch, dass NRW jetzt drei »Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften« aufstellen werde. Diese Spezialkräfte, die es in fast allen Bundesländern gibt, fallen im Rahmen von Demonstrationen und Fußballspielen immer wieder durch brutale Einsätze auf. Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum, glaubt nicht, dass die neuen Konzepte zukunftsweisend sind. »Es handelt sich um rückwärtsgewandte Konzepte. Martialischeres Auftreten, schnellerer Einsatz von Gewalt und der Abbau rechtsstaatlicher Kontrolle werden nicht zu mehr, sondern im Gegenteil zu weniger Respekt und Akzeptanz für die polizeiliche Tätigkeit führen.«

Auf kritische Worte hört man in NRW gerade allerdings nicht besonders. Die Landesregierung will zeigen, dass sie etwas für die Sicherheit tut. Dabei bedient sie sich repressiver Ideen, die bisher nicht zur Linie des Bundeslandes gehörten.