nd-aktuell.de / 05.03.2018 / Sport / Seite 18

Schockgefrorene Spielkultur

Leipziger Rasenballer und Dortmunder Borussen trennen sich mit »Beamtenfußball« 1:1

Frank Hellmann, Leipzig

Immer wenn sich Ralph Hasenhüttl und Peter Stöger auf der Bühne Bundesliga begegnen, möchte der gemeine Betrachter gerne Mäuschen spielen. Beide Österreicher stehen für eine gewisse Originalität, beide Fußballlehrer überhöhen das ohnehin überhitzte Geschäft nicht. So wirkte es ziemlich authentisch, dass der Trainer von RB Leipzig nach dem gerechten 1:1 gegen Borussia Dortmund aus dem unverfänglichen Plausch zweier Landsleute erzählte. »Für Beamtenfußball wart wir ganz schön flott unterwegs«, sagte Hasenhüttl über den Smalltalk mit dem Kollegen Stöger.

Das war die eine Wahrheit des vermeintlichen Spitzenspiels, die andere trug mit Konrad Laimer ein dritter Landsmann vor. »Das war mehr ein Kampf- als ein Topspiel«, sagte der in Salzburg geborene, in der Jugendabteilung beim FC Bull Salzburg und über das Farmteam FC Liefering ausgebildete RB-Profi. Der vergangenen Sommer zum deutschen Aushängeschild transferierte 20-Jährige offenbarte damit einen jeder Schönrednerei unverdächtigen Sachverstand.

Die Begegnung der eigentlich legitimen, tatsächlich aber nur pseudomäßigen Bayern-Verfolger besaß zwar durchaus Unterhaltungswert ob seiner nimmermüden Dynamik, ein erwärmendes Lehrstück für Spielkultur kam am bitterkalten Leipziger Sportforum aber nicht heraus. Aber darum ging es den Protagonisten mit dem Bullenlogo auf der Brust am Samstagabend auch nicht. Sondern was Laimer viel wichtiger erschien: »Wir haben von der ersten bis zur letzten Sekunde gekämpft.« Was in dem Wechselspiel aus Pressing und Gegenpressing unverzichtbar war, mündete die ähnliche Spielanlage doch in einen Schlagabtausch, bei dem fast jeder vierte Pass in gegnerischen Beinen landete, was Hasenhüttl (»ich habe viele Stockfehler gesehen«) deutlich kritischer bewertete als Kumpel Stöger (»erste Halbzeit außergewöhnlich gut, zweite Halbzeit gut«).

Der BVB-Coach wiederum muss nunmehr zehn nicht verlorene Bundesligaspiele fast eher rechtfertigen als der RB-Trainer zuletzt seine drei Pflichtspielniederlagen, die er zum Anlass vertiefender Einzelgespräche genommen hatte. Insofern hatte jeder Coach für sich einen Tippelschritt nach vorne ausgemacht. Leipzig ließ phasenweise seine Tugenden der Vorsaison aufblitzen, was am Führungstor des nun dreimal in Folge erfolgreichen Jean-Kévin Augustin zu besichtigen war, als Naby Keita nach Balleroberung schnell schaltete (29.). Die Leipziger seien als Sechster »die Jäger«, erklärte Willi Orban, »vielleicht legt uns das ja ein bisschen mehr.«

Die Dortmunder rutschten zwar auf Rang drei ab, verbesserten sich aber »bei Körpersprache, Passpiel und Bewegung in die Tiefe« so Stöger. Vor allem aber: Sie besitzen mit Marco Reus, der nach Musterpass von Mahmoud Dahoud zum 1:1 einnetzte (38.), wieder einen echten Unterschiedsspieler in ihren Reihen, der sich aus dem auch für Bundestrainer Joachim Löw interessanten Dreigestirn mit dem weniger durchsetzungsstarken Mario Götze und dem beim Gegentor fahrigen André Schürrle am besten in Szene setzte. »Er ist gut drauf, keine Frage«, meinte Stöger, »es ist wichtig, dass er gesund bleibt.« Er und Hasenhüttl stehen nun vor kniffligen Aufgaben. Während der gesamte Rest der Liga in der kommenden Europapokalwoche inklusive der Bayern die Beine hochlegt, sollen die Westfalen und die Sachsen den angekratzten Ruf der Liga retten. Dortmund erwartet pikanterweise die Leipziger Red-Bull-Filiale aus Salzburg, Leipzig empfängt Zenit St. Petersburg.

Das Achtelfinale wird vor den Auswärtsspielen beim VfB Stuttgart (Leipzig) bzw. dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (Dortmund) zum Spagat: Einerseits wollen beide Klubs in der Europa League würdige Repräsentanten des Weltmeisterlandes sein, andererseits müssen sie zusehen, dass sie nächste Saison wieder in der Champions League antreten. Sonst könnte die Argumentation schwierig werden, warum Topstars wie Reus oder Timo Werner sich weiter hierzulande entwickeln sollten.

Er werde diese Gelegenheit nutzen, um anderen Akteuren Spielpraxis zu geben, meint Stöger. Er sei dankbar, Deutschland auf dieser Bühne vertreten zu dürfen, versicherte Hasenhüttl. Eines haben die Vorstandschefs Oliver Mintzlaff (Leipzig) und Hans-Joachim Watzke (Dortmund) jedoch deutlich gemacht: Unter den fünf Mannschaften, die um drei verbleibende Champions-League-Startplätze kämpfen, sollten Leipzig und Dortmund dabei sein. Sonst könnten nämlich auch die unbeschwerten Flachsereien zwischen Ralph Hasenhüttl und Peter Stöger in der Bundesliga bald vorbei sein.