Männersachen

»Death Wish«: ein Reklamefilm für Selbstjustiz

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Kamera nähert sich Wolkenkratzern und Straßenschluchten: eine Autoverfolgungsjagd, Schüsse, Sirenen, ja, hier geht es ruppig zu, eine gefährliche Großstadt in den USA, Chicago. Ein Hospital, Stimmengewirr, Betriebsamkeit, Geschrei. Doch halt, stop! Moment!

Um Sympathie mit den Opfern zu empfinden, muss man sie ein wenig kennen und nett finden, weswegen uns die perfekte All-American Family (Mutter: blond, Vater: Arzt, Tochter: süß) erst einmal eine Weile vorgeführt wird. Klar: Das sind grundgute bürgerliche Menschen. Sie haben ein schönes Haus, haben einen liebevollen Umgang miteinander und trinken frischen Fruchtsaft zum Frühstück.

Doch dann, als Papa einmal zur Unzeit Spätschicht hat, kommen böse, ruchlose, maskierte Männer ins Haus, schreien herum, rauben Wertsachen, schießen die blonde Frau tot und die süße Tochter ins Koma.

Beim Begräbnis seiner Ehefrau macht sich Dr. Paul Kersey (Bruce Willis), der gute, brave Bürger, Familienvater und Arzt, dann erstmals Gedanken: »Wie kann das Gottes Plan sein?« Warum dürfen irgendwelche Dahergelaufenen einem Frau und Kind tot- bzw. halbtotschießen und die Polizei zuckt hilflos mit den Schultern? Ein anderer Mann erklärt es dankenswerterweise unserem Helden, dem braven Bürger, nur eine Szene später: »Die Polizei ist immer zu spät dran. Die Leute verlassen sich auf die Polizei. Aber ein Mann muss selbst beschützen, was ihm gehört«, also Frau und Kinder zum Beispiel. Ein Satz, wie ihn die National Rifle Association nicht besser ins Drehbuch hätte schreiben können.

Dr. Kersey geht allerdings erst einmal zum Therapeuten, schließlich kann er weder schlafen noch arbeiten noch zuhause vor der Glotze sitzen. Und er fühlt sich schuldig, hat er doch versagt. Er, ein Mann, hätte seine Ehefrau und seine Tochter besser beschützen müssen.

Er sieht also Waffenreklamevideos, in denen leicht bekleidete, lächelnde Damen riesenhafte Wummen abfeuern. Und er sucht ein Waffengeschäft auf, in dem man ihm erklärt, dass das Gefühl, eine Waffe abzufeuern, besser sei »als ein verficktes neugeborenes Baby« zu haben. Schließlich sehen wir ihn im Splitscreen-Verfahren: Tagsüber operiert der brave Arzt seine Patienten, abends trainiert der Mann mit Waffen. Durchladen, entsichern, zielen. Auf zweierlei Art, so lernen wir, operiert er nun, um Menschenleben zu retten: Er operiert Verletzte und Kranke mit Skalpell und Schere, und er operiert des Nachts mit einem Revolver das Krebsgeschwür der Übeltäter aus der Gesellschaft heraus.

In der Folge räumt Dr. Kersey nach Feierabend auf den Straßen Chicagos ein bisschen auf, was ihm ein wenig Erleichterung verschafft: Verbrecher abknallen, ihnen etwas über den Schädel ziehen, eigene Fleischwunden mit einem Tacker bearbeiten. Männersachen eben. Auch seine Therapeutin freut sich über das zurückgekehrte Wohlbefinden ihres Patienten: »Was immer Sie auch in Ihrer Freizeit tun, machen Sie damit weiter!«

Wer sich noch an die 70er Jahre erinnert, wird bei all dem an den beliebten Selbstjustiz-Thriller »Ein Mann sieht rot« (im Original: »Death Wish«, USA 1974) mit Charles Bronson in der Titelrolle denken. Nicht zu unrecht, schließlich haben wir es hier mit einer Neuverfilmung des Stoffs zu tun.

Eli Roth, den Regisseur dieses Remakes, kennen wir von Schockern wie »Hostel« oder »Cabin Fever«. Sein neuer Selbstjustiz-Reklamefilm müsste Trump ganz gut gefallen.

»Death Wish«, USA 2018. Regie: Eli Roth. Darsteller: Bruce Willis, Elisabeth Shue. 108 Min.

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