nd-aktuell.de / 09.01.2002 / Politik
Keine Einigung im Fall Ronald Klinger
Ehemaliger Stasi-Mitarbeiter klagt gegen Entlassung aus Arbeitsministerium Mecklenburg-Vorpommerns
Wolfgang Rex, Schwerin
Wie erwartet wehrt sich Ronald Klinger gegen seinen Rauswurf aus dem Arbeitsministerium von Mecklenburg-Vorpommern. Im Kern dreht es sich darum, wie die Gesellschaft mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern umgeht.
Der gestrige Gütetermin zwischen Ronald Klinger und dem Arbeitsministerium vor dem Schweriner Arbeitsgericht ist gescheitert. Richterin Babette Bohlen setzte die Kammerverhandlung für den 21. März an. Ronald Klinger. hatte gegen seine im November ausgesprochene Entlassung geklagt.
Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel fordert Weiterbeschäftigung des einstigen stellvertretenden Abteilungsleiters im Arbeitsministerium. Die Bundesrepublik sei kein Bananenland, sagte der Rechtsanwalt im Gespräch mit Journalisten. Sein Mandant sei zwar in einer schwierigen persönlichen Lage, die juristische Seite sei aber sehr hoffnungsvoll. Diestel forderte für Klinger eine »vergleichbare Tätigkeit mit einem entsprechenden Salär«. Sein Mandant habe eine gut bezahlte Arbeit in der »freien Wirtschaft« aufgegeben, weil er vom Arbeitsministerium heftig umworben worden sei, erklärte der Anwalt.
Der Rechtsbeistand des Arbeitsministeriums deutete gestern an, dass auch seine Seite an einer alternativen Lösung interessiert sei. Rechtsanwalt Diestel sagte, dass »Emissäre« bereits mit Klinger gesprochen hätten. Er weigerte sich aber, die Herkunft dieser Boten zu erklären. Dem Entlassenen sei »irgendeine Beschäftigung in der PDS-Fraktion« angeboten worden. Das reiche nicht aus, erklärte Diestel. Er stehe jedoch für Gespräche mit den Vertretern des Arbeitsministeriums bereit. Er hoffe, dass von dieser Seite etwas komme, um einen »riesengroßen Prozess zu vermeiden«.
Ronald Klinger war Mitte November 2001 von Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) entlassen worden. Das geschah erst auf Verlangen des Regierungspartners SPD. Die PDS-Fraktion hatte sich davor für eine Weiterbeschäftigung Klingers ausgesprochen. Fraktionsvize Peter Ritter sprach damals von einer zweiten Chance für solche Leute. Minister Holter schloss sich dem Votum der Fraktion an, was zur dritten Regierungskrise in der Koalition von SPD und PDS und zum Widerruf führte. Ministerpräsident Harald Ringstorff erklärte damals, dass es ohne Korrektur zu einer schweren Belastung der Koalition gekommen wäre. Die SPD stufte die Stasi-Vergangenheit von Klinger als besonders schwerwiegend ein.
Klinger war als stellvertretender Abteilungsleiter im Arbeitsministerium eingestellt worden. Noch vor seiner Entlassung wurde er zum Referatsleiter zurückgestuft. Strittig ist auch, ob Minister Holter bereits beim Einstellungsgespräch von Klinger über dessen Vergangenheit informiert wurde. Holter bestreitet das. Wenn er über die Stasi-Mitarbeit informiert gewesen wäre, hätte er Klinger nicht eingestellt, erklärte der Minister noch im November vor Journalisten. Klinger sagt, er habe Holter bereits im Einstellungsgespräch über seine Vergangenheit berichtet. Zu DDR-Zeiten war Klinger Jugendstaatsanwalt. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem MfS-Wachregiment »Feliks Dziershinski« habe er sich zur informellen Mitarbeit für die Stasi bereiterklärt, hieß es in Presseberichten. Rechtsanwalt Diestel zitierte in diesem Zusammenhang den Koalitionsvertrag von SPD und PDS. Darin werde auch vom Brückenbau in der Gesellschaft gesprochen.
Gestern wies Richterin Bohlen auf die Folgen hin, falls es im März zu einem Arbeitsprozess kommt. Dann müsste das Arbeitsministerium auch Fragen beantworten. Unter anderem, wann welche Personen von den Vorgängen um Klinger gehört hätten. Außerdem sei zu klären, wann der Personalrat über die Kündigung informiert wurde. Die Richterin räumte dabei ein, dass das Verfahren in hohem Maße politisiert worden sei. Das galt offensichtlich als Appell an beide Seiten, sich nachträglich friedlich zu einigen. Rechtsanwalt Diestel sprach zwar von einem »rechtspolitisch hochinteressanten Verfahren«, das im Streitfalle folgen würde. Er wolle es aber im Interesse seines Mandanten vermeiden.
Was ist BBJ?
1982 wurde in Berlin (West) der gemeinnützige »Verein zur Förderung kultureller und beruflicher Bildung Jugendlicher und Erwachsener« gegründet. Aus diesem Vereinsnamen stammt das Kürzel BBJ, das auch die heutige Unternehmensgruppe im Titel führt.
Derzeit besteht die Unternehmensgruppe aus selbstständig auf kommerzieller Basis arbeitenden Gesellschaften in verschiedenen Bereichen, die von der Sozial- über die Jugend- bis zur Strukturpolitik reichen. Auftraggeber für BBJ sind öffentliche Verwaltungen. Außerdem ist BBJ im gemeinnützigen Bereich tätig.
Nach eigenen Angaben bewegte BBJ im Jahre 2000 einen Umsatz von 42,4 Millionen Euro, davon 24 Millionen Euro im gemeinnützigen Bereich.
BBJ hat Service-Gesellschaften in Potsdam, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegründet.
Im Sommer 2001 beschäftigte BBJ 893 Mitarbeiter, davon 72 im gemeinnützigen Bereich und 469 im Rahmen von ABM.
Bis zu seinem Eintritt in das Schweriner Arbeitsministerium war Ronald Klinger Geschäftsführer bei der BBJ von Mecklenburg-Vorpommern.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/10817.keine-einigung-im-fall-ronald-klinger.html