nd-aktuell.de / 10.03.2018 / Politik / Seite 2

Wieder in der Opposition

Personalie

Stephan Fischer

Adam Michnik ist dieser Tage gefragt. Der Chefredakteur der »Gazeta Wyborcza« war eine der Schlüsselfiguren der Studentenproteste 1968 in Polen (Seite 7) - und an ihm zeigt sich, wie diese bis ins heutige Polen wirken.

Der heute 71-Jährige war Dissident in der Volksrepublik, Redakteur mehrerer Untergrundzeitschriften, wurde mehrfach verhaftet. Er saß von Februar bis April 1989 bei den Verhandlungen des Runden Tisches, gab die zunächst als reine Wahlkampfzeitung für die Solidarność geplante »Gazeta Wyborcza« heraus. Deren Chefredakteur ist er bis heute.

Die Wege der Oppositionellen, die bis 1989 die Gegnerschaft zum sozialistischen Polen einte, trennten sich in der Nachwendezeit. Aus früheren Gefährten wurden teils erbitterte Gegner. Michnik unterstützte die ökonomische »Schocktherapie« der frühen 90er-Jahre nach dem soggenannten Balcerowicz-Plan. Diese radikale Anpassung an die westliche Wirtschaftsweise produzierte eine an die kapitalistischen Ökonomien Westeuropas anschlussfähige Wirtschaft - samt Strukturzusammenbrüchen und millionenfacher Verarmung. Von der Erfahrung dieser extrem Transformation profitiert bis heute die PiS, deren Wirtschaftspolitik auch eine Reaktion auf die 1990er-Jahre ist.

Michnik steht als pro-westlicher Liberaler heute in Opposition zur konservativ-klerikalen nationalistischen Regierung. In der Bewertung der ’68er-Ereignisse geht er mit der regierungsoffiziellen Bewertung mit - mit einem Unterschied, der bis in die heutigen Kontroversen hineinreicht. Im Interview mit dem privaten Sender TVN24 sagte Michnik zuletzt, dass er Premier Morawiecki zustimme, dass Polen 1968 von der Sowjetunion abhängig war. Aber: Aktionen der damaligen Führung, besonders die Kampagne gegen polnische Juden, seien nicht auf sowjetische Anweisung geschehen. »Es ist unmöglich, die Verantwortung auf ein anderes Land zu schieben.« So wie heute für Aktionen der polnischen politischen Spitzen nicht die EU verantwortlich gemacht werden könne.