Zwei auf einen Streich

Die Zahl der von Zecken übertragenen Virusinfektionen nimmt zu

  • Walter Willems
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.

Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Zecken. Damit steigt vermutlich auch das Risiko für Krankheiten, die die Tiere übertragen.

Unter Zeckenforschern erregte die Entdeckung Aufsehen: Erstmals beobachteten sie im Raum Berlin, dass ihre Forschungsobjekte, die sonst von Herbst bis Frühjahr im Laubstreu überwintern, noch im November, Dezember und Januar aktiv waren - ein Indiz dafür, dass der Klimawandel ihre Ausbreitung begünstigt, samt der Übertragung von zwei Erkrankungen.
Eine solche Zunahme ist zwar für die bakteriell verursachte Borreliose nicht gesichert, an der bundesweit pro Jahr schätzungsweise 60 000 Menschen erkranken. Amtlich ist der Anstieg aber für die meldepflichtige Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine Viruserkrankung. Im Jahr 2004 registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) 274 FSME-Fälle, 2006 waren es bereits 541 Erkrankungen.
»Die Faktoren für die Zunahme sind vielschichtig«, sagt Professor Jochen Süss vom Friedrich-Löffler-Institut Jena. Immer mehr Menschen erholten sich in der Natur. Auch das wärmere Klima spielt eine Rolle. So überlebten in milden Wintern nicht nur mehr Zecken, sondern auch mehr Kleinnager, die die Blutsauger mit den Erregern infizieren.
Mit Borrelien sind bundesweit je nach Region zwischen fünf und 35 Prozent der Zecken durchseucht. Da die Bakterien aber im Magen-Darm-Trakt der Zecken leben, infiziert sich ein Mensch nicht direkt nach einem Zeckenstich, sondern erst später. »Das Infektionsrisiko steigt nach 24 Stunden deutlich an«, sagt der Infektiologe Professor Helmut Eiffert von der Universität Göttingen. Typischstes Anzeichen einer Borrelien-Infektion ist ein kreisförmiger Fleck um die Stichstelle, die sogenannte Wanderröte. Sie kann Tage und Wochen nach einem Stich auftreten, bleibt aber bei etwa einem Drittel der Infizierten ganz aus.
Erste Krankheitszeichen treten oft erst nach Wochen, Monaten oder Jahren auf. Die Beschwerden können bei jedem Patienten anders ausfallen, etwa in Form von Grippesymptomen oder Gelenkschmerzen. Setzen sich die Borrelien im Gehirn fest, kann die folgende Neuroborreliose Entzündungen der Hirnhaut und der Hirnsubstanz hervorrufen. Gerade weil die Symptome vielen Krankheiten ähneln können, haben Ärzte Probleme mit der Diagnose. Auch Blutuntersuchungen können die Krankheit nicht zuverlässig nachweisen. Ein negativer Laborbefund ist nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium für Borreliose, umgekehrt können vorhandene Antikörper auch von einer früheren Infektion stammen. Fast zehn Prozent der Bundesbürger tragen laut Eiffert Antikörper gegen die Bakterien im Blut. Wird die Krankheit frühzeitig erkannt, heilen Antibiotika zuverlässig.
Während Borreliose bundesweit vorkommt, tritt FSME bisher fast ausschließlich in Süddeutschland auf. Als Risikogebiete gelten große Areale in Baden-Württemberg und Bayern sowie Landkreise in Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. In diesen Gegenden sind laut Süss maximal fünf Prozent der Zecken mit dem Virus infiziert. Da die Viren bevorzugt in den Speicheldrüsen der Tiere sitzen, wechseln sie - im Gegensatz zu Borrelien - schon kurz nach dem Stich auf den Wirt. Eine FSME-Infektion verläuft bei etwa 70 Prozent der Menschen ohne Symptome. Bei den übrigen 30 Prozent verursachen die im Blut zirkulierenden Viren nach ein bis zwei Wochen grippe-ähnliche Beschwerden, die schnell wieder abklingen. Meist ist die Infektion damit beendet. Nur bei etwa einem Drittel dieser Personen erreichen die Viren das Zentrale Nervensystem. Dann folgt etwa eine Woche nach Abflauen der ersten Phase ein zweiter Schub mit hohem Fieber, Übelkeit und Erbrechen, in schweren Fällen sogar Bewusstseinstrübungen und Lähmungserscheinungen. Rund ein Prozent dieser Infektionen enden tödlich. Das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf steigt mit dem Alter.
Eine Impfung schützt zuverlässig vor der Krankheit. Zu dieser rät das RKI »potenziell gefährdeten Einwohnern und Besuchern von Risikogebieten«. Schutz bietet erst die zweite Vakzine, die gewöhnlich drei bis vier Wochen nach der ersten gegeben wird. Die dritte Dosis folgt ein Jahr später und verlängert den Schutz je nach Alter auf drei bis fünf Jahre.

Vorbeugung
Bei Ausflügen in die Natur ist helle Kleidung ratsam, um die Tiere besser erkennen zu können. Da die Spinnentiere keine Trockenheit mögen, halten sie sich bevorzugt in hohem Gras, Büschen oder Wäldern auf. Schutz bieten auch Repellents, die je nach Mittel auf Körperpartien oder auf Kleidung aufgetragen werden. Nach Ausflügen sollten sich Spaziergänger aber grundsätzlich auf Zecken absuchen und diese schnell entfernen. Haben sich die Tiere bereits festgesaugt, empfiehlt es sich, die Blutsauger mit einer spitzen Pinzette möglichst dicht an der Haut zu packen und abzuziehen. Das Tier darf dabei nicht gequetscht we...

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