Sorgenkind Landwirtschaft

Kubanische Bauernmärkte: Hohe Preise, knappes Angebot

Trotz beachtlicher 12,5 Prozent Wirtschaftswachstum ist nicht alles in Butter in der kubanischen Ökonomie. Der Agrarsektor bereitet seit Jahren Sorgen. Das sinkende Produktivitätsniveau schlägt sich in wachsenden Nahrungsmittelimporten und steigenden Preisen nieder.

»Misión Imposible« (unmögliche Mission) prangte in dicken Lettern über einem Artikel in der kubanischen Wochenzeitung »Bohemia«. Ungewöhnlich plakativ wird darin über das Dilemma der heimischen Landwirtschaft berichtet. Vor allem die Produktion von Fleisch, aber auch vieler anderer Produkte sei alles andere als befriedigend, so die Autoren, die auch zahlreiche Konsumenten befragt haben. Die Presse berichtet in letzter Zeit relativ offen über die Versorgungsprobleme. Drei Viertel des Einkommens muss eine durchschnittliche Familie für den Kauf von Nahrungsmitteln aufwenden, wie Untersuchungen des Forschungszentrums der Kubanischen Wirtschaft (CEEC) ergeben haben. Alltäglicher Stress sei es, die Zutaten für das Essen zu organisieren. In Kuba gehört dies spätestens seit dem Beginn der »Periodo especial« Anfang der 90er Jahre zum Alltag. Und dass die 404 Peso, die ein Kubaner derzeit durchschnittlich pro Monat verdient, kaum ausreichen, um den Alltag zu bestreiten, ist unter Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern kaum umstritten. Auf rund 1600 Peso schätzen sie den Finanzbedarf einer typischen kubanischen Familie mit zwei Kindern. Folgerichtig müssten die Preise für die Grundnahrungsmittel sinken, doch das Gegenteil ist der Fall. Der Agrarexperte Armonado Nova hat in den letzten beiden Jahren die Entwicklung auf den freien Bauernmärkten anhand von 21 Produkten verfolgt - Ergebnis: Sie verteuerten sich um durchschnittlich 4,3 Prozent von 2005 auf 2006 und um 7,1 Prozent von 2004 auf 2005. »Das Angebot ist deutlich niedriger als die Nachfrage. Das ist das prinzipielle Dilemma«, so die Erklärung Novas. Dieses Missverhältnis schlägt sich in steigenden Agrarimporten aus aller Welt nieder. Insgesamt stiegen die Einfuhren von Nahrungsmitteln und Viehfutter laut CEEC im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von rund 1,8 Milliarden US-Dollar; allein die USA lieferten für rund 350 Millionen US-Dollar Nahrungsmittel nach Kuba Dass die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu- statt wie beabsichtigt abnimmt, daraus wird in Kuba kein Hehl gemacht. Die Vizeministerin für Wirtschaft erklärte kürzlich gegenüber der Parteizeitung »Granma«, dass derzeit 84 Prozent der Grundnahrungsmittel importiert werden. Die Reformierung des Agrarsektors habe in diesem Jahr Priorität. Erste Vorschläge sollen dem kubanischen Parlament im Juni vorgelegt werden. Bisher unbekannt ist jedoch, in welche Richtung sie gehen. Mehr Anreize, um Produktivität und Erträge zu steigern, seien unabdingbar, urteilt Anicia García Álvarez in einem Aufsatz für einen kürzlich erschienenen Sammelband über die kubanische Wirtschaftsentwicklung. So seien beispielsweise die staatlichen Ankaufpreise für Reis seit Beginn der achtziger Jahre unverändert geblieben und deckten nicht einmal die Produktionskosten. Auch der Zugang vieler Kooperativen und Kleinbauern zu Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, Werkzeugen und Traktoren sei letztlich nicht geregelt. Es gebe keine Märkte, wo Bauern derartige Produkte einkaufen können, so Armando Nova. Der Agrarexperte hofft auf strukturelle Reformen, die es ermöglichen, die guten Vorausetzungen der Insel zu nutzen, ...

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