Gehobenes Vergnügen

Gerhard Branstner: Drei der »exquisiten Fünf«

  • Klaus-Dieter Schönewerk
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich merkte, welches Feld der Literatur der »letzte (?)« Universalist Gerhard Branstner noch nicht beackert hat. Er hat Romane geschrieben, Prosa jedweden Genres, Lyrik, Dramatik; er hat sich zu jenen gesellt, die die Welt bisher nur verschieden interpretiert haben, den Philosophen, und sich sogar um die Veränderung der Verhältnisse bemüht. Zudem hat er Nachbars Garten, die Musik, mit eigenen Liedern, Libretti und Kompositionen gehegt und gepflegt. Und einige Regiestühle von Theatern hat er gelegentlich gewärmt. Was auch immer aus Branstnerschem Selbstbewusstsein noch hinzukommen mag: Der Autor, der dem Komischen revolutionäre Kraft abgewann, hat bisher keine Tragödie hervorgebracht - als ob nicht der Fluss der Tränen ebenfalls den Lauf der Geschichte ändern könnte. Nach einer 10-bändigen Werkausgabe im trafo-Verlag legt er nun bei Dingsda »Die exquisiten Fünf« vor. Bis (wenn ich recht gezählt habe) auf ganze zwei Textwiederholungen alles neu oder aus dem Werkfundus zusammengestellt. Band 1 »Die Pyramide« überholt Marx (was so ganz leicht nicht war) und die Spitze der Basispartei PDS von links. Letzteres ein Kinderspiel. (Gerhard Zwerenz hat kürzlich Treffendes darüber in dieser Zeitung geschrieben.) Die »exquisite Zwei« enthält fünf »kuriose Geschichten«, die zwischen Vergangenheit und Zukunft pendeln. Den Leser erwärmt dabei die Reibung des Autors an solchen Klassikern wie Freud oder Hitchcock. Wirklichkeit von heute ist wahrlich nicht zum Lachen, dass weiß Branstner nur zu gut. Drum will er den Ernst in der Heiterkeit »aufheben«, sportlich wie ein Gewichtheber und zugleich wie ein ganzes Parlament, das geltende Gesetze aufhebt; letzteren Vorgang allerdings muss man mit der Lupe suchen. Das Bändchen bietet vergnügliche Lektüre, und seine größte Stärke ist, dass man hinterher weiß, warum man gelacht hat. Nummer 3 hat drei Kollagen-Revuen gesammelt, die auf der Bühne erst zu Recht ihre zum philosophischen Schwertransport geeigneten Schwingen entfalten. Lieder, Sprüche, Anekdoten, Sketche und Aphorismen (z. B. »Dummheit auf der Leiter / klettert immer weiter.«) fügen sich zu einem wohlkomponierten Sammelsurium der Umstände des Seins, die, aus gehörigem Abstand betrachtet, ihre vorgegebene Alternativlosigkeit im Lächerlichen verlieren. »Die Narrenschaukel« hat im Zimmertheater Berlin-Karlshorst ihre durchschlagende Wirkung bewiesen. Neben der »Meuterei im Narrenhaus« offenbart »Der diebische Goethe« höchstaktuelle Brisanz. Da lässt der Autor den »dummen August hochliterarisch blödeln« und teilt, was er einsteckt und gleich wieder verteilt, mit dem Leser: reichlich Hiebe nämlich. Und er stürzt den Menschen in die Qual der Wahl: der kleinste Riese oder der größte Zwerg zu sein. Die Volksweisheit »mit Musik geht alles besser« wird vom Branstnerschen Genius nach Strich und Faden ausgebeutet. Die Texte, wo nicht von eigener Originalität geprägt, sind originell geklaut. Über die Musik will ich mangels Fachkenntnis nichts sagen, kann aber berichten, dass sich berühmte Komponistenkollegen anerkennend äußerten. Der größte Teil der Sammlung (mit Noten) nennt sich »Neue Volkslieder« (dereinst war Johannes R. Becher mit ähnlichem Versuch ziemlich erfolglos) und hat in Ton und Sprachduktus Überkommenes ins Heutige gebracht. Und Branstner räumt mit der Legende auf, dem deutschen Volkslied eigne vor allem Wehmut und Herzeleid. Wie bei den Altvorderen geht's auch bei ihm kräftig-deftig zur Sache, die wohl auf ewig Nummer Eins ist - ein Geheimtipp für die »Randfichten«, damit »der alte Holzmichel« endlich Gesellschaft bekommt. Die »exquisite Fünf« - demnächst in diesem Theater - soll »philosophische Streitschriften« enthalten, da kann man gespannt sein, denn Branstner nimmt kein Blatt vor den Mund, damit sich andere um so gründlicher den Hintern wischen können. Also warten wir...

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