Anna-Lena Forster fährt aus dem Schatten

Die Monoskifahrerin besiegt bei den Paralympics erstmals Teamkollegin Anna Schaffelhuber. Auch Andrea Eskau holt mit 46 noch mal Gold

  • Holger Schmidt und Thomas Eßer, Pyeongchang
  • Lesedauer: 3 Min.

Anna Schaffelhuber zeigte auch in der Niederlage Größe, Anna-Lena Forster wollte am liebsten die ganze Welt umarmen und Andrea Rothfuss kämpfte trotzig mit ihren Tränen: Der vierte Wettkampftag der Paralympics in Pyeongchang war für die deutschen Athletinnen ein hochemotionaler. Fahnenträgerin Andrea Eskau holte Gold im Biathlon, doch vor allem auf der Skipiste überschlugen sich die Ereignisse.

Zunächst verschenkte Rothfuss das sicher geglaubte Gold in der Super-Kombination der stehenden Athletinnen und konnte ihren Ärger kaum verbergen. Dann beendete die zunächst hypernervöse und später überglückliche Teamkollegin Forster die fast schon unheimliche Siegesserie Schaffelhubers bei den Monoskifahrerinnen. »Nach dem Super-G habe ich nur geheult, weil ich so unzufrieden war. Vor dem Start heute war mir dann kotzübel, so nervös war ich«, sagte die 22-jährige Forster nach ihrem ersten Paralympicsgold: »Ich bin froh, dass ich Anna mal schlagen und etwas aus ihrem Schatten treten konnte.« Schaffelhuber nahm die Niederlage sportlich und gratulierte fair. »Anna-Lena hat es absolut verdient. Von ihr fällt sicher viel ab jetzt. Ich suche mir nicht aus, wer vor mir steht, aber ich freue mich, dass es die Teamkollegin war.«

Derweil siegte Andrea Eskau im stolzen Sportleralter von 46 Jahren über die zehn Kilometer der sitzenden Biathletinnen. Die Magdeburgerin hat nun bei fünf verschiedenen Paralympics insgesamt sieben Siege errungen. Clara Klug gewann in ihrem Rennen Bronze - und das, obwohl die sehbehinderte Athletin kurz vor Schluss kurzzeitig gestoppt hatte, weil sie sich schon im Ziel wähnte.

Damit holte der Deutsche Behindertensportverband am Dienstag fünf Medaillen - so viele wie an den ersten drei Tagen zusammen. Alle zehn bisherigen Medaillen gewannen Frauen, die deutschen Männer gehen bisher wie schon während der gesamten Spiele 2014 in Sotschi leer aus.

Zunächst sah es auch so aus, als könne Schaffelhuber erneut Gold holen. Nach dem Super-G führte die 28-Jährige die Kombinationskonkurrenz an. Doch dann nahm Forster ihr Herz in die Hand und der siebenmaligen Paralympics-Siegerin im Slalom viereinhalb Sekunden ab. »Damit ist definitiv ein Traum wahr geworden. Und das in einer Disziplin, in der ich es nicht erwartet hätte«, sagte Forster, die von Geburt an kein rechtes und ein verkürztes linkes Bein hat. Nach dem Sieg habe ihr Schaffelhuber sofort herzlich gratuliert, berichtete Forster: »Wir sind ja auch befreundet.«

Aus den Freundinnen sind durch Forsters Leistungssteigerung aber auch Konkurrentinnen geworden. In Pyeongchang werden noch zwei Duelle folgen. Im letzten, am Sonntag im Slalom, sieht Schaffelhuber Forster als klare Favoritin: »Das ist sie aber nicht erst seit heute.« Chef de Mission Karl Quade bestätigte: »Anna-Lena hat sich großartig entwickelt. In den technischen Disziplinen ist sie aktuell stärker.«

Dagegen musste sich Andrea Rothfuss mit dem dritten Silber begnügen, obwohl sie nach dem Super-G führte und ihre Dauerrivalin Marie Bochet (Frankreich) bereits ausgeschieden war. »Ich denke, mit etwas Abstand wird es sich gut anfühlen«, sagte die 28-Jährige: »Aber im Moment kann ich mich noch nicht richtig freuen.« Auch Rekordsieger Gerd Schönfelder, heute Co-Trainer des Nationalteams, haderte: »Das war eine Riesenchance zu Gold, ein echter Elfmeter.«

Andrea Eskau dagegen war am Dienstag nicht die Favoritin, doch die Fahnenträgerin eilte allen davon. »Ich bin sehr stolz, ich bin eine alte Frau«, sagte die 46-Jährige lachend. »Es ist echt verrückt.« Ihr Alter war dann eher ein Vorteil, denn Eskau spielte ihre ganze Erfahrung aus: »Ich war überhaupt nicht aufgeregt und das ist halt mein großer Vorteil.« dpa/nd

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