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Begag rechnet mit Sarkozy ab

Buch des ehemaligen französischen Integrationsministers ist Bestseller

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich veröffentlichte der Anfang April zurückgetretene französische Integrationsminister Azouz Begag ein Buch, worin er seinen ehemaligen Ministerkollegen Nicolas Sarkozy scharf kritisiert.
Bereits der Buchtitel »Un mouton dans la baignoire« («Ein Schaf in der Badewanne«) ist eine Anspielung auf Nicolas Sarkozy, der in der Debatte um Einwanderung von den nordafrikanischen Einwohnern pauschal behauptete, sie schlachteten das rituelle Schaf zum Aid el-Kébir-Feiertag zu Hause in der Badewanne. In seinem vor wenigen Tagen veröffentlichten Buch rechnet der Anfang April zurückgetretene französische Integrationsminister Azouz Begag mit dem ehemaligen Innenminister und jetzigen Präsidentschaftskandidaten Sarkozy ab. Als der Soziologe und Schriftsteller Begag bei einer Regierungsumbildung im Sommer 2005 zum Minister für Gleichstellung ernannt wurde, fragten sich viele: Warum tut er sich das an? Knapp zwei Jahre hielt er durch. Erst wenige Wochen vor dem Ende der Amtszeit der Regierung und vor neuen Parlamentswahlen trat der 50-jährige Sohn algerischer Einwanderer zurück. Wenn er anfangs noch geglaubt hatte, dass er als erster Minister arabischer Herkunft in der Geschichte Frankreichs als Beispiel für erfolgreiche Integration dienen könnte, so hat er diese Illusionen bald verloren. In den Büchern, die ihn bekannt machten, schilderte er, wie er als Kind in Wellblechhüttensiedlungen bei Lyon aufwuchs und wie ihn sein Vater, ein Bauarbeiter, der zeitlebens weder lesen noch schreiben konnte, zum Lernen anhielt. Nicht zuletzt weil er seinem längst verstorbenen Vater Ehre machen wollte, nahm Begag die Ernennung an. Doch der von ihm wegen seiner Außenpolitik zum Zeitpunkt des Irak-Krieges bewunderte Dominique Villepin holte ihn wohl vor allem in seine Regierung, weil er mit Begag optisch ein Gegengewicht zu dem latent ausländerfeindlichen Innenminister Sarkozy präsentieren wollte. So linkisch wie Begag anfangs wirkte, ließ er sich dennoch weder manipulieren noch den Mund verbieten. Als er die »kriegerische Wortwahl« Sarkozys gegen Jugendliche in den Vorstädten öffentlich kritisierte - dieser hatte sie als »Gesindel« bezeichnet, von dem man die Viertel »mit dem Kärcher«, eine bekannte Marke von Hochdruckstrahlern, »reinigen« müsse -, brach der tödlich beleidigte Innenminister einen gnadenlosen Krieg gegen seinen jungen Kabinettskollegen vom Zaun. Bei dem darauf einsetzenden »Mobbing« konnte Begag auf keinerlei Solidarität seitens der anderen Mitglieder der französischen Rechtsregierung zählen. In seinem Buch, das sofort zum Bestseller wurde, schildert Begag seine Erfahrungen und oft schmerzlichen Erkenntnisse aus diesen zwei Jahren »in einem politischen Raubtierkäfig«. Darin berichtet er unter anderem von einem Telefonat mit Sarkozy während der Vorstadt-Unruhen im Herbst 2005. Dabei beschimpfte der damalige Innenminister Begag, weil dieser öffentlich auf Distanz zu seiner Politik gegangen war: »Du bist ein Drecksack, ein Unloyaler, ein Vollidiot. Ich werde dir die Fresse einschlagen.« Diese Schimpf-Kanonade sei »so unglaublich« gewesen, dass er sie unverzüglich aufgeschrieben habe, erinnert sich Begag. Weil Premierminister Villepin darauf drängte, bot Sarkozy später eine »Versöhnung« an: Beide Politiker sollten bei einem Besuch in einer Vorstadtsiedlung gemeinsam auftreten. Begag stimmte zu, machte aber zur Bedingung, dass keine Pressefotografen und Fernsehkameras anwesend sein dürften. »Da hat Sarkozy abgewinkt, das interessierte ihn nicht. Er braucht die öffentliche Darstellung. Der Anlass ist ihm egal«, schreibt Begag. Zu einer gestellten Aussöhnung ist es nicht gekommen, im Gegenteil. Noch vor wenigen Wochen distanzierte sich Begag von den Plänen des rechten Präsidentschaftskandidaten, ein Ministerium für Einwanderung und nationale Identität zu schaffen. Das sei »unanständige Vermengung«, mit der Sarkozy versuche, »versprengte Lämmer« in der rechtsextremen Wählerschaft um sich zu sammeln. Durch seinen Rücktritt wollte Azouz Begag nicht zuletzt »die Freiheit zurückgewinnen, rückhaltlos« seine Meinung zu sagen. Das nutzt er jetzt, um vor dem Präsidentschaftskandidaten Sarkozy zu warnen, den er für eine »echte Gefahr« hält. Stattdessen unterstützt Begag die Kandidatur des Zentrumspolitikers François Bayrou.
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