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Macht durch Bankrott

Michael Hudson über »Super Imperialism«, die USA und ihre Strategie des globalen Kapitalismus

  • Jörg Roesler
  • Lesedauer: 4 Min.
Nachdem das Werk des US-amerikanischen Ökonomen Michael Hudson »Der Sektor«, in dem er die globale Finanzwirtschaft der Gegenwart kritisch analysierte, vor zwei Jahren in Deutschland großen Anklang gefunden hatte, legte Klett-Cotta nach und veröffentlichte nun auch Hudsons Buch »Super Imperialism« , das erstmals 1972 in den USA verlegt worden ist, auf Deutsch. Mit dieser Publikation bietet der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, der auch als Finanzanalyst und Berater an der Wall Street tätig ist und gleichzeitig der Occupy-Bewegung angehört, eine kompakte Geschichte des US-amerikanischen Finanzimperialismus von 1917 bis zur Weltwährungskrise Anfang der 1970er Jahre an.

1917 trat die USA in den Weltkrieg ein. Sie finanzierten die Rüstungsausgaben ihrer Verbündeten im großen Maßstab mit und trieben nach dem Krieg rigoros die Schulden ein, was Großbritannien und Frankreich ihrerseits veranlasste, gegenüber dem besiegten Deutschland auf hohen Reparationen zu bestehen. In der Geschichte der Kriegsführung, so Hudson, hatte bis dahin noch nie ein militärischer Verbündeter eine solche finanzielle Entschädigung für seine militärische Unterstützung verlangt wie die USA nach 1918. Zwischen dem Erstem und dem Zweiten Weltkrieg stiegen sie zum größten internationalen Gläubiger auf. Mit ihren auf dieser Grundlage verfolgten Weltherrschaftsansprüchen kollidierten ab den 1930er Jahren die Interessen zweier anderer imperialistischer Mächte: die des Deutschen Reichs und Japans.

Nach der Kapitulation der Achsenmächte 1945 konnten die USA ihre Machtposition durch die Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank weiter festigen. Nur noch ein Land von internationaler Bedeutung war in dieses System der Finanzherrschaft nicht eingebunden - die sozialistische Sowjetunion. Dem Versuch, auch die UdSSR - im Kampf gegen Hitler Verbündeter der USA - in das von den Vereinigten Staaten gelenkte Weltwirtschaftssystem einzubeziehen, hat Hudson ein ganzes Kapitel seines Buches gewidmet.

Auf den ersten Blick bestanden für die Einordnung der UdSSR in das von den USA dominierte Weltwirtschafts- und Weltfinanzsystem gute Voraussetzungen. Die Sowjetunion sei an der wirtschaftlichen Kooperation mit den USA interessiert, hieß es seinerzeit aus Moskau, »weil es uns die Vereinigten Staaten erleichtern werden, unsere Volkswirtschaft wieder aufzubauen und den gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Fortschritt rasch voranzutreiben«. In diesem Sinne war die UdSSR zunächst durchaus bereit, im 1944 in Bretton Woods (USA) vereinbarten Welthandelssystem der Nachkriegszeit mitzuwirken und dem IWF und der Weltbank beizutreten.

Doch bald, schreibt Hudson, musste die sowjetische Seite erkennen, dass der Abbau der internationalen Handelshürden es vor allem den Vereinigten Staaten ermöglichen würde, der UdSSR »ihre politische und wirtschaftliche Autonomie zu beschneiden und ihr Richtung und Geschwindigkeit des Wachstums vorzuschreiben«. Den Beitritt lehnten die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Verbündeten daher letztendlich ab. In einer Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1947 erhob der sowjetische Vertreter den Vorwurf, die Bretton-Woods-Institutionen seien lediglich »Ableger der Wall Street«, die Weltbank diene »politischen Zwecken« und sei »ein Instrument einer einzigen Großmacht, nämlich der Vereinigten Staaten«. Daraufhin wurden die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Staaten aus dem neu geschaffenen Weltwirtschaftssystem ausgeschlossen. Derart isoliert erhielten nicht einmal Zugang zu den zwecks Förderung des weltweiten Handels geschaffenen Meistbegünstigungsklauseln. Der Kalte Krieg wurde so auch zum Wirtschaftskrieg.

Die ökonomische Vormachtstellung der USA im Westen beruhte in den Nachkriegsjahren wie schon vor dem Zweiten Weltkrieg auf ihren Goldbeständen. Ende der 1940er Jahre hielten die Vereinigten Staaten rund 75 Prozent der globalen Goldreserven. Dank dieser Position, so Hudson, »verwandelte sich die ›Stabilität‹ des internationalen Finanzsystems in einen globalen Kontrollmechanismus, der dazu diente, die Interessen der Kreditgeber in den Vereinigten Staaten zu schützen«.

Doch im Laufe der 1960er Jahre verkehrte sich die Position der USA als größter internationaler Gläubiger ins Gegenteil; die Vereinigten Staaten wurden zum größten Schuldner. Hauptursache dafür war der Krieg in Vietnam, den die USA von 1965 bis 1972 führten. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg hatten die USA sich die Goldreserven der mit ihr verbündeten kriegsführenden Länder durch Lieferungen von Waffen und Lebensmitteln aneignen können. Im Falle Vietnams befanden sie sich rasch in der Position jener Länder, deren Goldreserven zur Kriegsfinanzierung aufgebraucht worden waren. 1971 sah sich US-Präsident Nixon gezwungen, die Goldpreisbindung des Dollars aufzugeben. An sich hätten die USA nunmehr ihre führende Stellung im Weltfinanzsystem verlieren müssen. Doch, wie Hudson es im 12., mit »Macht durch Bankrott« betitelten Kapitel beschreibt, konnten die USA ihre Position halten, weil die ausländischen Zentralbanken aus Furcht vor einem Kollaps des Weltfinanzsystems US-Papiere statt Gold akzeptierten. Die Zahlungsbilanzdefizite der USA inflationierten auf diesem Wege die Währungen der anderen Länder und wurden so zur Triebfeder der globalen Inflation Ende der 1960er Jahre, die wesentlich zur Weltwährungskrise 1970 bis 1972 beitrug.

Das Buch ist in einem systemkritischen und US-kritischen Duktus verfasst. Das aktuelle Weltfinanzsystem sollte nach Hudson durch ein alle nationalen Volkswirtschaften begünstigendes antiimperialistisches Weltfinanzsystem ersetzt werden.

Michael Hudson: Finanzimperialismus. Die USA und ihre Strategie des globalen Kapitalismus. Klett Cotta, 555 S., geb., 27 €.

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