nd-aktuell.de / 16.03.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 11

»Schwarze Schafe« gibt es überall

»Arbeit & Leben« klärt ausländische Beschäftigte über Arbeitnehmerrechte auf

Dieter Hanisch, Kiel

Erleichterung herrscht in der mobilen Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Sitz in Kiel: Auch die neue Jamaika-Regierung in Schleswig-Holstein unterstützt die über den Bildungsträger Arbeit & Leben beim DGB angesiedelte Arbeit zur Information ausländischer Beschäftigter, die von tricksenden Arbeitgebern oftmals ausgenutzt werden.

252 000 Euro ist das der Landesregierung für 2018 wert, über eine weiterführende Förderung wird dann neu entschieden. Das bleibt der einzige Wermutstropfen bei der Übergabe der Geldspritze durch Thilo Rohlfs, Staatssekretär im FDP-geführten Wirtschafts- und Arbeitsministerium. Denn der Bedarf nach Beratung ist immens, wie DGB Nord-Vorsitzender Uwe Polkaehn betonte. 766 Beratungsfälle im ersten Arbeitsjahr legen Zeugnis darüber ab. Vorwiegend wurden Betroffene in Kiel erreicht. Doch zuletzt gab es auch Anfragen aus Sylt zum Thema Reinigung von Ferienhäusern, aus Husum zur Fleischverarbeitung, dem Pinneberger Raum zum Hotelgewerbe sowie aus Neumünster (Logistikbranche), wie Projektleiterin Lena Thombansen berichtete. »Es muss sich erst herumsprechen, dass wir landesweit Hilfe anbieten. Dafür kommt uns auch ein mobiler Kleinbus zugute«, fügt sie hinzu.

Und die Auswüchse von Betrug und Ausbeutung nehmen immer gravierende Formen an. In Neumünster ist in einem Stadtteil von einem regelrechten »Arbeiterstrich« die Rede, wenn sich vornehmlich Osteuropäer an die Straße stellen und darauf warten, dass sie tageweise für Gelegenheitsarbeiten engagiert werden. Andere leben in überfüllten Absteigen für überteuerte Miete unter oft unzumutbaren Verhältnissen und warten dort darauf, dass ein Arbeitgeber sie vor der Haustür abholt. »Über das wahre Ausmaß können wir nur spekulieren«, sagt Thombansen. Vieles bleibe unter der Decke. Es sei ein Vorteil, dass Ratsuchende muttersprachlichen Kontakt in Bulgarisch, Polnisch, Rumänisch, Ungarisch und Arabisch bekommen.

»Schwarze Schafe« kommen dabei aus vielen Branchen. Betroffen sind der Bereich Pflege, Schlachthöfe, Werften, die Gastronomie, der Bau, die Forstwirtschaft oder Saisonkräfte in der Landwirtschaft wie etwa Erntehelfer. Aber auch mit vermittelnden Zeitarbeitsfirmen gibt es Ärger. Mit Adrian Stoica nimmt sich in der Beratungsstelle ein Jurist der Fälle an. Ab und an landen einige dann beim Arbeitsgericht. Auch mit der Polizei und dem Zoll gibt es nach seinen Worten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Mal geht es um nicht gezahltes Urlaubsgeld, mal werden Überstunden nicht entlohnt. Mal wird Sonntagsarbeit nicht vergütet, mal wird sich um die Fortzahlung im Krankheitsfall gedrückt. Der Katalog der Missstände ist sehr groß. So wird im Streitfall auf Subunternehmer verwiesen, die plötzlich wie vom Erdboden verschwunden sind oder im Konfliktfall Insolvenz anzeigen. Auch Sozialversicherungsabgaben werden gelegentlich nicht geleistet. Es geht also nicht nur um persönliche Nachteile, sondern auch um einen volkswirtschaftlichen Schaden. Manchmal unterschreiben ausländische Arbeitnehmer aus Unkenntnis auch eine Erklärung, die sie zum selbstständigen Gewerbetreibenden macht und mit der sich der eigentliche Auftraggeber dann aus jeglicher Verantwortung nimmt. Sprachdefizite machen Arbeitgeber sich dabei zunutze.

Thombansen und ihre Mitarbeiter wundern sich grundsätzlich über die Gutgläubigkeit und Naivität vieler Ost- und Südeuropäer, die zum Teil sogar Blankounterschriften leisten und damit dann später bei arbeitsvertraglichen Auseinandersetzungen den Kürzeren ziehen. Das liegt häufig am Bildungsniveau der Betroffenen, die nicht selten aus der Sinti- und Roma-Community stammen. Die Ende 2016 gestartete Beratungsstelle in Schleswig-Holstein ist eingebettet in ein bundesweites Netzwerk. In noch acht weiteren Bundesländern oder Stadtstaaten gibt es Angebote von Arbeit & Leben, die ausländische Beschäftigte über Arbeitnehmerrechte aufklären.