nd-aktuell.de / 16.03.2018 / Kultur / Seite 13

Morgen bin ich wieder da

Neues von Doc Schoko

Michael Saager

Wer halbwegs pfiffig ist, vertraut Alben beiliegenden Infozetteln nicht mehr als, sagen wir, Herrn Kaiser von der Allianz. Also am besten gar nicht. Schließlich ist’s bloß Werbung. Ausnahmen bestätigen die Regel (streng genommen tun sie das natürlich nicht). Im Fall von Doc Schokos hypnotischem Kraut-Psychedelic-Album »Stadt der Lieder« hat diese Ausnahme einen bürgerlichen Namen mit sehr gutem Referenzklang. Der Musiker und Journalist Kristof Schreuf - Kopf der großartigen Proto-Hamburger-Schule-Band Kolossale Jugend - hat den kundigen Text zur zweifellos überzeugenden vierten Platte des ziemlich genialen, aber leider - da hat Schreuf vollkommen recht - hundsgemein oft überhörten Berliner Songwriters geschrieben. Ein ewiger Geheimtipp, der Mann.

Doc Schoko, der in Wirklichkeit Christian Schulte heißt, werden die Worte Schreufs, die von der »musikalischen Reise« des Albums, vom Malen mit Klängen, von »Lebensstürmen«, »biographischen Schiffbrüchen« oder der Melancholie des Künstlers »als Triebfeder« handeln, hoffentlich gefreut haben.

Und obwohl Doc Schoko nicht so drängend hoch krächzt wie dereinst Schreuf (»Bessere Zeiten«, »Party«), sondern ziemlich tief lässig sprechsingt - mit ein wenig Fantasie hört man möglicherweise eine gewisse musikalische (Haltungs-)Verwandtschaft mit Kolossale Jugend heraus.

In schönster Gitarren-Underground-Tradition lässt Doc Schoko es anmutig bis wütend schrammeln, sägen und kreiseln. Schlagzeug und Bass lieben rumpelnd schleppende oder langsame funky Grooves. Explosive Ausbrüche lassen angemessen lange auf sich warten, bisweilen hallt es herrlich verstrahlt.

Doch mindestens so wichtig wie die mit illustren Gästen wie dem Fehlfarben-Gitarristen Uwe Jahnke oder dem S.Y.P.H.-Drummer Dominik Benzler eingespielte Musik sind freilich Doc Schokos Lieder der Stadt, die Texte, in denen er anrührend wahrhaftig, lakonisch-humorvoll und wohl auch ein bisschen zornig über kapitallose Insassen eines angeblich alternativlosen Systems namens Kapitalismus singt. Über brotlose Künstler im selten rosafarbenen Berlin. Über sich.

Da bleibt dann, wie in »Bierchen«, ein halbleeres Bier vom Straßenrand nicht stehen. Und in »Trocken« heißt es mit kalauernder Albernheit: »Oh, mein Herz, ich bin so trocken wie die Kiste Haferflocken und die neuen Lammfellsocken.«

Bisweilen hilft gegen die Zumutungen des kapitalistischen Alltags - »den Brief vom Amt, den von der Bank« - immerhin der Schlaf. Am nächsten Tag geht’s dann weiter - irgendwie, trotzdem oder gerade jetzt. In Doc Schokos Worten: »Morgen bin ich wieder da.«

Doc Schoko: »Stadt der Lieder« (Staatsakt/Caroline International)