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  • Kultur- und Veranstaltungszentrum "Radialsystem"

Wo der Tanz ankert

Das Land Berlin übernimmt das Kultur- und Veranstaltungszentrum »Radialsystem« am Spree-Ufer

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Holzmarktstraße ist eine Adresse, an der sich Geschichte und Gegenwart der Hauptstadt wie in einem Brennglas zeigen: Hier am Spree-Ufer steht das längste verbliebene Stück jener Mauer, die die Stadt bis 1989 so drastisch prägte. Hier findet sich noch immer viel des innerstädtischen, von allerlei soziokulturellen Initiativen zwischengenutzten Brachlandes, das so typisch war für die Berliner Nachwendezeit. Und hier lässt sich seit einigen Jahren auch die alles verschlingende Dynamik des gegenwärtigen Immobilienmarktes exemplarisch beobachten, der sich eben diese einstigen Leerstandsflächen als besonders lukrative Filetstücke einzuverleiben trachtet.

Inmitten dieses Kräftefeldes befindet sich seit einem guten Jahrzehnt das »Radialsystem V« - ein Kultur- und Veranstaltungszentrum mit einem ausgesuchten Programm an klassischer Musik und Jazz, viel zeitgenössischem Tanz, aber auch anderweitigen Veranstaltungen. Bisher befand sich das Zentrum, in einem bis 1999 aktiven Kanalisationspumpwerk gelegen, in privatem Eigentum. Die das Programm gestaltende Radialsystem V GmbH hatte sich bei diesem eingemietet.

Als nun in jüngerer Zeit bekannt wurde, der Besitzer der attraktiv gelegenen Immobilie wolle dieselbe verkaufen, schien der Weiterbetrieb der Kulturstätte in heutiger Form gefährdet: Ein neuer Eigentümer hätte ziemlich sicher die Miete erheblich erhöht, wenn nicht eine ganz andere Nutzung angestrebt. Und Hochkulturformate wie zeitgenössischer Tanz - das Radialsystem ist weit über die Stadt hinaus etwa als Stammbühne der Compagnie Sasha Waltz & Guests bekannt - sind zwar prestigeträchtig, aber aufgrund der oft recht aufwendigen Produktion nicht unbedingt Gelddruckmaschinen.

Nun übernimmt das Land Berlin - so das Abgeordnetenhaus mit seiner rot-rot-grünen Mehrheit zustimmt - das Haus, um diese Gefahr zu bannen. An der Trägerstruktur werde sich zunächst nichts ändern, erläutert Senatssprecher Daniel Bartsch. Der »Coup« an der Spree sei in Abstimmung mit der Radialsystem GmbH erfolgt und solle sicherstellen, dass an diesem Ort auch in Zukunft ein anspruchsvolles Kulturprogramm angeboten werden könne. Insbesondere solle das Haus »weiterhin und verstärkt« als eine »Ankerinstitution für zeitgenössischen Tanz« fungieren, wie sie bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen sei. Über den Kaufpreis will sich der Senat nicht äußern, doch habe man »sehr gut verhandelt«, heißt es dazu bei der Verwaltung.

Vielleicht kann man die bevorstehende Übernahme des Hauses an der Spree als Symbol eines Paradigmenwechsels in der Berliner Kulturpolitik deuten. In der jüngeren Vergangenheit war diese ja eher von Sparprogrammen geprägt gewesen als von mutigen Neuinvestitionen der öffentlichen Hand. »Erstmals sichert das Land Berlin einen Kulturstandort in dieser Größenordnung durch Ankauf«, erklärt denn auch Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei). Der Vorgang mache »die Probleme« deutlich, »vor denen wir in dieser Stadt aufgrund des hohen Verwertungsdrucks auf Immobilien stehen«. Womöglich könne dieser Druck in Zukunft zu ähnlichen Entscheidungen führen: »Wenn wir kulturelle Räume dauerhaft sichern und halten wollen, werden wir dazu auch verstärkt zum Mittel des Ankaufs greifen müssen.«

Am Tanzankerplatz am Spree-Ufer hieß es am Donnerstag, der Tag nach der Bekanntgabe der Übernahme sei »ein sehr schöner Tag«. Da das Vorhaben aber noch das Abgeordnetenhaus passieren muss, wolle man sich allerdings mit Kommentaren in der Öffentlichkeit zurückhalten.

Die »BZ« will inzwischen den Kaufpreis für das Haus erfahren haben. Es werde den Senat 14,4 Millionen Euro kosten, schreibt das Boulevardblatt und nennt das »nicht gerade ein Schnäppchen«. Der Preis für die - freilich aufwendig renovierte und umgebaute - Immobilie habe sich versiebenfacht, seit der jetzige Eigentümer sie im Jahr 2004 von den Wasserbetrieben erworben habe.

Ganz unwahrscheinlich scheint eine derartige Preissteigerung in dieser Lage nicht. Darin zeigt sich, wenn die Angaben stimmen, die ambivalente Entwicklung, die Berlin in den vergangenen Jahren genommen hat.

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