nd-aktuell.de / 19.03.2018 / Politik / Seite 8

57 000 Schusswaffen und ein Raketenwerfer

Australien sammelt mit einer Amnestie Waffen ein / Schießsportvereine finden großen Zulauf

Michael Lenz

»Na also, geht doch«, möchte man angesichts des Erfolgs einer Waffenamnestie in Australien den Vettern im fernen Nordamerika zurufen. Tausende unregistrierte Schusswaffen aller Art wurden von Juli bis September 2017 im Rahmen einer Amnestie den australischen Behörden ausgehändigt. Insgesamt trennten sich die Aussies freiwillig von mehr als 57 000 Schusswaffen, wie es im dieser Tage vom Innenministerium in Canberra veröffentlichten »National Firearms Amnesty 2017 Report« heißt.

Innenminister Angus Taylor wertete die Waffenamnestie als »großartiges Beispiel« für die Zusammenarbeit zwischen Behörden und der Öffentlichkeit zur Verbesserung der Sicherheit. »Diese unregistrierten Waffen von der Straße wegzubekommen, heißt, dass sie nicht in die Hände von Kriminellen fallen können, die mit ihnen das Leben unschuldiger Australier gefährden könnten«, betonte Taylor.

Australiens Waffengesetzgebung war 1996 nach einem Massaker in Port Arthur auf Tasmanien verschärft worden. Der damals 28 Jahre alte, geistig verwirrte Martin Bryant tötete mit zwei Sturmgewehren 35 Menschen, darunter viele Kinder. Neben der Verschärfung der bis dahin laschen Waffengesetzgebung stellte der konservative Premierminister John Howard mehrere Millionen für den Aufkauf Hunderttausender Gewehre bereit.

Seit der Verschärfung des Waffenrechts vor über zwei Jahrzehnten gab es in Australien keine tödlichen Massaker mehr, hieß es in einer im Juni 2016 veröffentlichten Studie von Simon Chapman, Professor für Öffentliche an der Universität Sydney. Zudem sei die Zahl der Tötungsdelikte mit Schusswaffen zurückgegangen.

Also alles gut in Australien? Nicht ganz. Die strenge Gesetzgebung hat paradoxerweise auch zu einem mehr an Waffen geführt. Inzwischen sind mehr Revolver und Gewehre im Umlauf als vor Port Arthur, weiß Philip Alpers, Gründungsdirektor von GunPolicy.org, einem globalen Forschungsprojekt der Sydney School of Public Health. Zwar habe die Zahl der bewaffneten Haushalte stark abgenommen, aber die Waffennarren legten sich zunehmend wahre Waffenarsenale zu.

Wer eine Waffe erwerben will, muss genau begründen, wofür er sie braucht. Bei Jägern und Landwirten in den Weiten des Outback ist dies offensichtlich. Bei Städtern nicht. Da muss man Mitglied eines Schießsportvereins sein. Seit der Verschärfung der Waffengesetzgebung schossen solche Gruppen wie Pilze aus dem Boden, heute haben sie 180 000 Mitglieder - 1996 waren es nur 50 000. Die Aus-tralische Sportschützenvereinigung SSAA ist inzwischen dank der Mitgliedsbeiträge der wohlhabendste Hobbysportverein des Landes.

Ihre Millionen nutzt die SSAA wie auch der Dachverband der Waffenhersteller und -importeure für politische Lobbyarbeit zur Aufweichung der Waffengesetzgebung. Unterstützt werden sie vor allem von kleinen rechten Parteien. Die sind zwar dank des Mehrheitswahlrechts relativ unbedeutend, aber das erklärte Ziel der Waffenlobby ist es, den Platzhirschen unter den Parteien - Labor und Liberale - Wähler abspenstig zu machen. Der Plan scheint aufzugehen: Gerade erst hat die konservative Liberale Partei in Tasmanien die Wahl auch mit dem Versprechen der Lockerung der Waffengesetzgebung gewonnen.

Roland Browne sieht diese Entwicklung mit Schaudern. Statt die Waffengesetze aufzuweichen, fordert der Vizevorsitzende der Waffengegnervereinigung »Gun Control Australia« eine striktere Durchsetzung der bestehenden Gesetze. Die Waffengegner erfreuen sich dabei des Wohlwollens der meisten ihrer Landsleute. »Das Gute, was Port Arthur bewirkt hat, sind die strengen Waffengesetze. Die Australier stehen dazu als Zeichen der Hoffnung«, schreibt Browne in einer E-Mail aus dem tasmanischen Hobart an das »nd«.

Bei der aktuellen Waffenamnestie liegt mit 24 831 ausgehändigten Schusswaffen der Bundesstaat New South Wales an der Spitze, gefolgt von Queensland mit 16 374. Unter den Waffen mit historisch-antiquarischem Wert befanden sich einige Pistolen aus dem 19. Jahrhundert. Und ein deutsches Maxim-Maschinengewehr aus dem Ersten Weltkrieg. Für Schlagzeilen aber sorgte ein Privatmann aus Queensland, der mit einem für den Hausgebrauch eher ungewöhnlichen Schießgerät anrückte - einem Raketenwerfer.