nd-aktuell.de / 22.03.2018 / Politik / Seite 3

Unzufrieden mit eigener Führung

SPD diskutiert über Personal und Paragraf 219a / Niederlage für Fraktionschefin Nahles bei Wahl eines Ausschusschefs

Aert van Riel

Andrea Nahles hat bei der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag eine kleine Niederlage hinnehmen müssen. Spiegel Online meldete, dass die Abgeordneten in einer internen Abstimmung mit großer Mehrheit für Matthias Bartke und gegen Martin Rosemann als neuen Chef für den Ausschuss Arbeit und Soziales votiert hatten. Rosemann war von der Vorsitzenden Nahles und dem Fraktionsvorstand unterstützt worden.

Nicht nur die fachliche Eignung könnte bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben, sondern auch die Flügelzugehörigkeit. Der Baden-Württemberger Rosemann ist Mitglied des Netzwerks Berlin, in dem sich vor einigen Jahren jüngere SPD-Abgeordnete zusammengeschlossen hatten, die sich nicht der Parlamentarischen Linken (PL) zugehörig fühlen. Einige Mitglieder des Netzwerks sind zugleich im konservativen Seeheimer Kreis aktiv.

Der Hamburger Bartke ist hingegen Mitglied der Parlamentarischen Linken. Auch Nahles war einst Teil dieses Flügels. Seit sie den Fraktionsvorsitz übernommen hat, lässt sie aber ihre Mitgliedschaft in der PL ruhen. Zudem hat sie sich inhaltlich von der SPD-Linken entfernt. Bei der Vergabe wichtiger Posten waren die linken Sozialdemokraten kaum berücksichtigt worden, obwohl sie in der Fraktion die größte Strömung sind. Im neuen Kabinett gehört allein Justizministerin Katarina Barley der Parlamentarischen Linken an. Unzufrieden soll die SPD-Linke mit der Personalie Hubertus Heil sein. Laut Spiegel Online fürchten manche Sozialdemokraten, der Netzwerker Heil könne als Arbeitsminister die Sozialpolitik etwas vernachlässigen.

Auch SPD-Politiker außerhalb der Fraktion sind unzufrieden mit ihrer Führung. Juso-Chef Kevin Kühnert hat seiner Partei im Koalitionsstreit über eine Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen ein »Einknicken« vor der Union vorgeworfen. Er habe große Zweifel, dass der angekündigte gemeinsame Vorschlag der Bundesregierung fortschrittlich sein werde, sagte der Jungsozialist der »Rheinischen Post«. Der Paragraf 219a müsse geändert werden, weil es nicht um Werbung der Ärzte gehe, sondern um Information für Frauen. Kühnert kritisierte, dass die SPD das Thema mit einer »dünnen Erklärung« zurückgestellt habe und nicht wie ursprünglich geplant eine Mehrheit im Bundestag ohne die Union anstrebe. Er forderte die Aufhebung der Fraktionsdisziplin bei der Abstimmung im Bundestag.

Auch die FDP will die Sozialdemokraten unter Druck setzen. Die Freien Demokraten werben bei Linksfraktion und Grünen für ihren eigenen Gesetzesentwurf. »Von der LINKEN haben wir bereits positive Signale«, sagte der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki der Nachrichtenagentur AFP. »Ich wünsche mir, dass sich auch die Grünen uns anschließen, um zu zeigen, dass es im Bundestag eine Mehrheit jenseits der Union für eine Änderung des Strafrechtsparagrafen geben kann.«

Die Union lehnt eine Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche ab, sie argumentiert mit dem »Schutz ungeborenen Lebens«. Die FDP will nur »aggressive Werbung« für Abtreibungen unter Strafe stellen, neutrale Informationen für betroffene Frauen aber nicht. LINKE und Grüne wollen das Verbot am liebsten komplett abschaffen.